Strange Angels: Verflucht: Roman (PAN) (German Edition)
deinen Dad erschossen. Wie willst du das der Polizei erklären?
Nun, technisch gesehen und so schnell, wie Zombies verwesten, wären nichts weiter als eine kaputte Tür und ein Einschussloch in der Wand zu erklären. Ich könnte sagen, dass es bereits dort gewesen war, als wir einzogen, dass mein Dad nachts arbeitete und er deshalb gerade nicht an die Tür kommen konnte …
Plötzlich entfuhr mir ein trockenes Schluchzen. Ich verschränkte die Arme vor meinem Bauch und krümmte mich, so dass meine Stirn auf der kühlen Kunststofftischplatte lag, was sich angenehm anfühlte. Beinahe so angenehm wie das kalte Porzellan einer Kloschüssel, wenn mir richtig speiübel war.
Mir drehte sich wieder der Magen um.
Übergib dich nicht, Dru! Wag es ja nicht, hier auf den Fußboden zu kotzen!
Dads Stimme hallte mir durch den Schädel, das übliche Mantra, während ich mich am Sandsack abarbeitete. Kämpf dich da durch, Kleines! Komm schon! Ein Mal noch für Daddy. Mach! Komm, Mädchen, das schaffst du! Noch einen für mich! Komm schon!
»O Mann!«, flüsterte Graves, der auf einmal sehr viel älter klang. »Wie schlimm ist es?«
Meine Zähne klapperten. Um ein Haar wäre ich an meinem Lachen erstickt. Wie schlimm es ist? Es ist so schlimm, dass du dir gar keinen Begriff machst. So schlimm! »Geh einfach weg«, sagte ich zu meinen Knien. Wie hatte ich es geschafft, meine Stiefel zu schnüren? Ich erinnerte mich nicht einmal mehr, wie ich mich angezogen hatte. Ich war in der Öffentlichkeit, im Einkaufszentrum, aber was hatte ich an?
Jeans. Und ich konnte Socken fühlen. Ich trug meine Stiefel. Als ich am Saum meines T-Shirts zupfte, erkannte ich, dass es rot war. Ich trug Dads zweite Army-Jacke, und in der rechten Tasche war etwas Schweres, das tödlich sein musste.
Ach du Schande! Ich war in der Öffentlichkeit bewaffnet. Dad würde mich killen.
»Dru?« Graves’ Stimme war tiefer geworden. »Wie schlimm ist es? Kannst du wirklich nicht nach Hause?«
Ich blinzelte. Ich hatte meine Handschuhe an, und jemand redete mit mir. Langsam richtete ich mich auf dem Stuhl auf. Die Welt fügte sich wieder zusammen, Farben und Geräusche rannen nicht mehr wie gefärbtes Wasser über Glas. Das »Orange Julius« lag gegenüber im Restaurationsbereich, und plötzlich schien das Leuchtschild das Schönste auf der Welt, der hellste Hoffnungsstrahl.
Ich roch Pommes frites, heißes Frittieröl. Und ich wollte etwas essen. Mein Magen knurrte so laut, dass ich die Schultern einzog, damit er es nicht hörte.
Graves setzte sich anders hin. Dann schob er mir seinen Pappbecher über den Tisch. »Trink was hiervon! Dein Kaffee ist kalt.« Immer noch mit dieser ruhigen, merkwürdig erwachsenen Stimme. Kein Hauch von Teenager-Getöne.
Ich schnappte den Becher und sog am Strohhalm. Der Geschmack von Erdbeeren und künstlichem Eis explodierte auf meiner Zunge und radierte den Gestank von wiederbelebtem Tod aus.
Derweil richtete Graves sich zu seiner vollen schlaksigen Gestalt auf, wobei er den Stuhl unmelodisch über den Boden rückte. »Bleib hier, okay? Nur eine Sekunde!«
Ich nickte und nahm noch einen Schluck. Er machte große Schritte, um seine langen Stelzen auszunutzen. Bis ich den Smoothie ausgetrunken hatte, war er zurück und stellte ein Tablett auf den Tisch. Es war ein Bacon-Cheeseburger mit Pommes frites, dazu ein Vanille-Milchshake, nach dem ich als Erstes griff. Den Cheeseburger verschlang ich mit wenigen Bissen, während Graves sich wieder auf seinen Stuhl setzte und mit den Fingern auf die Tischkante trommelte. Seinen Mantel behielt er an. Er aß ein paar von den Pommes, hatte sogar Ketchup gekauft, den ich aus dem einzigen Grund nicht aufriss, weil mir bei der Vorstellung, das dickflüssige rote Zeug in mir zu haben, das Essen hochkam.
Während ich den Rest Vanille-Shake ausschlürfte, dachte ich schon an Erbrechen. Graves summte die Berieselungsmusik mit und tippte weiter auf die Tischkante. Er war nicht im Takt, doch das schien ihn nicht sonderlich zu stören.
»Danke«, sagte ich schließlich und strich mir das Haar hinter die Ohren, das sich wieder einmal zu sehr kringelte.
»Schon okay.« Er zuckte mit seinen hageren Schultern. »Das erste Mal ist gratis. Also, kannst du echt nicht nach Hause? Was ist passiert?«
Ich habe meinen Dad erschossen. Aber das macht nichts, denn er war einer von den wandelnden Toten. Der Bacon-Cheeseburger kämpfte sich zurück in die Freiheit. Ein bisschen von der Übelkeit schwand, als
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