Straße in die Hölle
Urwaldboden und strich ihren Leinenrock glatt.
Norina war mittelgroß, hatte lange schlanke Beine und einen schmalen Körper, doch die Brüste wölbten sich voll und rund unter der Bluse. Mit beiden Händen warf sie das lange Haar zurück und blickte zu Gebbhardt empor, der sie um Haupteslänge überragte.
»Zu Ihnen wollte ich«, sagte sie. »Das heißt, Dr. Santaluz will es. Dort kommt er.«
Von den vier weißen Lastwagen her näherte sich ein zweiter Jeep. Norina winkte und zeigte dann auf Gebbhardt.
»Jetzt haben Sie dreihundert Irre in Schach zu halten«, raunte Bandeira Gebbhardt zu. »So etwas hierherzuschicken, ist doch kompletter Wahnsinn. Das Lazarett wird voll sein mit Kerlen, die sich gegenseitig umbringen wollen.«
Dr. Santaluz sprang aus dem Wagen und kam Gebbhardt mit ausgestreckten Händen entgegen. Er trug einen grünen Buschanzug und ähnelte eher einem Guerillakämpfer als einem Arzt.
»Ich habe viel von Ihnen gehört, Senhor Carlos«, sagte er und umarmte Gebbhardt wie einen alten Freund. Dann sah er Hauptmann Bandeira und verlor seine herzliche Freundlichkeit. Wie bei Gebbhardt und Norina die Blicke gleich Blitzen gewesen waren, so stießen jetzt die Blicke von Santaluz und Bandeira wie Schwerter aufeinander. Ein sekundenschnelles Duell, das keinen Sieger kannte. Dann lächelte Santaluz wieder verbindlich und höflich.
»Ich habe mir gedacht, daß ein Hospital wenig Sinn hat«, sagte er, »wenn es irgendwo in der Ferne auf seine Kranken wartet. Zwei, drei Stunden Transport können hier schon über Tod und Leben entscheiden. Ich möchte bei Ihnen in der vordersten Linie bleiben, Senhor Carlos. Was halten Sie davon?«
Gebbhardt vermied es, Norina noch einmal anzusehen. Er blickte hinüber zum Fluß, wo jetzt mit viel Geschrei die ersten Boote zu Wasser gelassen wurden.
»Was meint Luis Jesus Areras dazu?« wich er aus.
»Ich habe ihn nicht gefragt«, sagte Santaluz knapp.
»Er ist der oberste Bauleiter.«
»Ich denke, das ist Oberingenieur Tanoeiro?«
»War Senhor Tanoeiro da?« fragte Gebbhardt.
»Nein.«
»Sie werden ihn auch kaum zu sehen bekommen. Tanoeiro hat eine Geliebte in Ceres und ist allergisch gegen Mücken. Hier gibt es aber Armeen von Mücken. Sein Stellvertreter ist Areras.«
»Sie mögen ihn nicht, Senhor Carlos?«
»Wer mag ihn hier schon, Doktor –«
»Stefano Santaluz«, ergänzte der Arzt. Er klopfte seine Taschen nach Zigaretten ab. »Wir werden uns schon vertragen, Senhor Carlos. Was mir an Ihnen auf Anhieb gefällt, ist, daß Areras Sie wie die Pest haßt. Das beweist Ihre Qualitäten. Haben Sie eine Zigarette?«
»Ich habe eine«, sagte Norina, ehe Gebbhardt antworten könnte. Sie hielt Santaluz eine Schachtel hin, und wieder tauschte Norina mit Gebbhardt einen Blick. Der lautlose Zusammenprall war diesmal elementarer … sie spürten es beide, rissen sich voneinander los, und jeder sah in eine andere Richtung. Hauptmann Bandeira gab Dr. Santaluz Feuer.
»Was macht die Polizei hier?« fragte Santaluz.
»Sie sorgt für Ordnung, doutôr .«
»Das Gefühl für Gerechtigkeit.«
»Nehmen Sie sich da nicht ein bißchen viel vor, capitão ?« Santaluz machte einen tiefen Zug und blies den Rauch zur Seite, weil Norina im Wege stand.
»Sicherlich.« Bandeira lächelte verhalten, aber seine Augen brannten. »Man muß wissen, aus welchem Stoff Gerechtigkeit besteht.«
Es war völlig sinnlos, jetzt damit anzufangen, daß die Gegenwart Norina Samasinas dazu angetan war, jede Ordnung zu stören. Das sah Gebbhardt ein. Verschieben wir es auf morgen, dachte er. Die kommende Nacht wird viele Worte überflüssig machen. Es wird die ersten Schlägereien geben, und Freundschaften werden zerbrechen wie morsches Holz, nur weil diese Frau im Lager ist. Die Männer hier sind ausgehungert, daran ändert auch das rollende Bordell nichts. Schon wegen dieser Dirnen hatte es wahre Straßenschlachten gegeben, und vor drei Monaten sogar drei Tote. Seitdem wurde das Bordell von zehn schwerbewaffneten Männern bewacht. Und jetzt kam diese Frau hierher! Eine Frau, deren Schönheit alle Träume übertraf …
Am Fluß klatschten die nächsten Boote ins Wasser. Das Geschrei verstärkte sich, irgend etwas war schiefgegangen. Plötzlich zuckten sie alle zusammen … vom Fluß her hörte man die Handsirene heulen.
Alarm! Gefahr! Gebbhardt fuhr herum. Er sah, wie die Männer die Boote fallen ließen und zum Fluß rannten. Schüsse bellten. Die Sirene heulte ununterbrochen.
»Ein
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