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Straße in die Hölle

Straße in die Hölle

Titel: Straße in die Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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– sie brannten um die riesigen Mückenschwärme zu vertreiben. Deshalb legte man nasses Laub auf die Feuer. Der beißende Qualm war der beste und einzige Schutz.
    »Ich habe mit dir zu sprechen, Paulo«, sagte Gebbhardt und winkte Alegre zur Seite.
    Sie gingen ein Stück beiseite, setzten sich auf einen der gewaltigen Stämme und rauchten dicke, selbstgedrehte Zigaretten mit fast schwarzem Tabak.
    »Was wollen Sie von mir, patrão ?« fragte Alegre. »Versuchen Sie nicht, mich zu beeinflussen. Wir leben auf einem Vulkan, patrão , auf einem Vulkan aus siebzehnhundert Menschen … man kann ihn nicht mehr mit Versprechungen zustopfen. Wir kämpfen für eine gerechte Sache.«
    Karl Gebbhardt betrachtete Alegre von der Seite. Wie alt mochte er sein? Er nahm sich vor, Alegres Papiere gelegentlich zu lesen. Der buschige Bart machte ihn älter als er war. Seit Wochen beobachtete er ihn. Dieser Arbeiter hatte die Kraft eines Bullen.
    »Du hast einen Mann ermordet?« fragte Gebbhardt.
    Die plötzliche Frage erschütterte Alegre nicht. Er schien sie gewöhnt zu sein. »Ich habe einen Mann bestraft«, erwiderte er ruhig.
    »Indem du ihm die Kehle durchgeschnitten hast?«
    »Ja, patrão . Es mußte sein.«
    »Du mußt zugeben, daß das nicht normal ist, Paulo.«
    »Das war normal, patrão .« Alegre saugte an seiner dicken schwarzen Zigarette. »Es war vor sieben Jahren. Ich war noch ein junger Kerl und hatte gerade geheiratet. Eva-Pepita hieß meine Frau. Eine schöne Frau, patrão . Die schönste von ganz Amaljuza. Ich nahm sie mit nach Recife, da war ich Bauarbeiter und verdiente gut. Wir träumten von einem kleinen Haus, mit einem Garten, einer Kuh, zwei Schweinen, einem Stall voll Hühnern … was man so alles träumt. Und Kinder wollten wir, viele Kinder. Kinder sind ein Segen Gottes. Ja, und dann kam Ernesto auf die Baustelle. Der Architekt Ernesto. Jeden Mittag brachte mir Eva-Pepita das Essen auf die Baustelle, und dabei sah er sie. Vier Tage später fand ich meine Frau, patrão . Sie lag auf der Erde, mit zerfetzten Kleidern, und Ernesto hatte sie geschändet.«
    Alegre rauchte versonnen weiter und scharrte mit den Stiefeln über den Waldboden.
    »Ich habe Ernesto sieben Wochen lang gesucht. Er ist geflüchtet wie ein gehetztes Wild. Aber ich fand ihn. Ich sah ihm in die Augen und schnitt ihm die Kehle durch. War das nicht gerecht, patrão ?« Er blickte Gebbhardt an.
    Richtige Kinderaugen hat er, dachte Gebbhardt. Er will von mir hören, daß er es gut gemacht hat. Was soll ich ihm antworten?
    »Ich weiß«, sagte Alegre, »ihr habt andere Gesetze. Aber hier ist der Urwald. Hier muß jeder um sein Leben und sein Glück kämpfen, sonst verfault er wie ein von Lianen erwürgter Baum. Ich habe Angst, daß es bald wieder passiert.«
    »Was?« fragte Gebbhardt betroffen.
    »Daß ich jemandem die Kehle durchschneiden muß.« Alegre zertrat den Rest seiner Zigarette. »Ich liebe Alja. Kennst du Alja, patrão ? Ein Indiomädchen, zart wie eine Blüte. Sie arbeitet in der Kantine. Wir sparen beide jeden Cruzeiro und bringen ihn nach Brasilia auf die Bank. Aber da ist Luis Jesus Areras. Er stellt Alja nach, faßt sie unanständig an, sagte Schweinereien zu ihr, verdirbt sie mit Worten und Blicken. Es wird sich alles wiederholen …«
    Er sagte es ganz ruhig. Gebbhardt schauderte. Drei Jahre war er jetzt in diesem Land, und er wußte, daß nichts hier einen Mann zurückhalten konnte, das zu tun, was ihm seine Ehre als Mann zu gebieten schien.
    »Weiß das Areras?« fragte er heiser.
    »Alja hat es ihm gesagt. Aber er lacht nur und faßt ihr frech an den Busen.«
    »Ich werde mit ihm sprechen«, sagte Gebbhardt und stand auf.
    Ich werde bei der Zentrale verlangen, daß man ihn ablöst, dachte er. Und wenn ich selbst nach Brasilia fahren und mit Senhor Bolo sprechen muß. Diese Menschen hier sind wie die Krokodile: Wenn sie Blut riechen, geraten sie in einen Rausch. Dann wird Areras nicht das einzige Opfer bleiben.
    »Es ist spät, Paulo«, sagte er. »Morgen früh geht's wieder los. Wir müssen den versäumten Tag aufholen. Leg dich schlafen. Gute Nacht.«
    »Gute Nacht, patrão .«
    Alegre ging zu den kleinen Zelten beim Feuer und verschwand unter den anderen Arbeitern. Irgendwo spielte ein Banjo eine traurige Indianerweise. Mit einem Lastwagen kam ein kleiner Trupp ins Lager zurück – fröhlich, betrunken, johlend. Sie kamen aus dem Zentrallager, das auf halber Strecke zwischen Ceres und der Bauspitze lag. Was sie den

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