Straße in die Hölle
aus konnte er über die Wendeltreppe hinauf zum Flachdach gelangen.
Er hätte ebensogut gegen einen Felsen rennen können. Alegres breite Brust fing den Anprall auf, und die gewaltige Gestalt rührte sich nicht einmal dabei. Dann griff er zu, riß Bolo an den Schultern hoch und trug den Brüllenden aus dem Salon.
»Sie hat geleuchtet«, sagte er dabei und trat die Tür zum Eingang auf. Heißer Dunst wehte ihm entgegen. Das Feuer kletterte bereits zu ihnen empor. Alegres Augen glitzerten in einem Wahnsinn, der jede Gegenwehr Bolos lähmte. Dieser begann zu heulen wie ein Hund, während er in den riesigen Armen hing – beinahe schwerelos. »Du hast es nicht gesehen, Senhor Bolo.«
Das Kaufhaus Orgulho de Brasilia brannte zwei Tage, ehe man das Feuer unter Kontrolle hatte. Die Zeitungen schrieben darüber: »Mitten in der Hauptstadt schien ein Vulkan ausgebrochen zu sein. Ein Flammenmeer, durchzuckt von immer neuen Explosionen, die weitere Brandherde aufrissen. Eine automatische Feuerlöschanlage gab es in diesem supermodernen Haus nicht. Es zeigte sich auch, daß die Leitern der Feuerwehr nicht bis zu den oberen Stockwerken reichten. So konnte der Brand in den letzten Etagen nicht bekämpft werden. Sie und das Penthouse von Senhor Bolo brannten völlig aus. Aus den Trümmern wurden bisher 347 Tote geborgen, die kaum noch zu identifizieren sind, 29 Menschen sprangen aus Angst in den Tod. Unter den bis zur Unkenntlichkeit verbrannten Toten vermutet die Polizei auch Senhor Bolo . Als Ursache des Brandes nimmt man Sabotage an. Es handelt sich um die größte Brandkatastrophe in der Geschichte Brasiliens.«
Erst nach vier Tagen waren alle Flammen gelöscht, denn immer wieder loderten irgendwo in einem Winkel neue Brände auf. Nun begannen die Aufräumungsarbeiten.
Feuerwehr und Polizei fanden dabei auf der Steintreppe zwischen Penthouse und oberer Kaufhausetage zwei völlig verkohlte Leichen. Engumschlungen lagen sie an der Treppenwand. Man vermutete einen Vater, der sein Kind hatte retten wollen. Die Gerichtsmediziner stellten fest, daß es zwei ausgewachsene Männer gewesen waren, ein Mann von riesiger Größe und ein mittelgroßer Mann.
Mehr konnte man nicht sagen. Als Unbekannte wurden sie nebeneinander begraben. Und auf das Kreuz – ein einfaches Holzkreuz – schrieb man poetisch: ZWEI FREUNDE.
Die Menschheit muß ihre Ideale haben.
Das Zimmer, das man Pater de Sete im Militärgefängnis zugewiesen hatte, lag neben den ebenerdigen Zellen. Sein Fenster ging auf einen kleinen Hof mit festgestampfter Erde hinaus. Sechs Soldaten waren damit beschäftigt, vor einer hohen lehmgelben Mauer mannshohe Rundpfähle in den Boden zu rammen.
Gebbhardt stand am Fenster und starrte auf den Hof. Hinter ihm holte der Pater zwei Gläser und eine Flasche Rum aus einem wackeligen Schrank.
»Wollen Sie sich nicht setzen, Senhor Carlos?« fragte er dabei. »Sie können die Exekutionspfähle nicht wegzaubern, wenn Sie die Pfosten auch noch so wild anstarren.«
Gebbhardt senkte den Kopf, aber er blieb am Fenster stehen. »Sie werden bei ihnen sein?« fragte er leise.
»Ja.« Der Rum gluckerte in die Gläser. »Das ist für jeden Priester eine fast unlösbare Aufgabe. Was soll man den Verurteilten erzählen? Daß Gott sie liebt? Daß es im Himmel wahre Gerechtigkeit gibt? Daß das Erdenleben nur eine Zwischenstation ist und das wahre Leben nie aufhört, auch nicht unter den Kugeln des Exekutionskommandos? Trotzdem habe ich mich freiwillig angeboten, diesen letzten Gang mit den Verurteilten zu gehen.«
»Es ist Ihr Beruf, Pater.«
»Nicht nur. Darum wollte ich mit Ihnen ungestört reden, Senhor Carlos.« Pater Pietro de Sete kam ans Fenster und hielt Gebbhardt das Glas hin. Der scharfe Rumgeruch widerte ihn an, trotzdem kippte er das Glas mit einem Schluck hinunter. Er mußte husten. »Nach den Hinrichtungen werde ich mit den neuen Arbeiterkolonnen in den Wald ziehen. Man hat auf meinen Rat hin eine neue Institution gegründet: Die Rucksack-Kirche.« Pater de Sete trank sein Glas Rum leer. »Die Huren sind da besser dran. Die haben wieder zwei gut eingerichtete, vollklimatisierte Busse. Auch drei rollende Bars gibt es, für einen Kirchenwagen reicht es aber nicht. Also setze ich mich auf mein altes Motorrad und nehme Christus im Rucksack mit. Ich werde – wie Sie – in der vordersten Linie sein.«
»Und Sie glauben, gegen die Huren eine Chance zu haben, Pater?« Gebbhardt lächelte schief.
»Eine große sogar.« Der Pater
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