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Straße in die Hölle

Straße in die Hölle

Titel: Straße in die Hölle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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nahm Gebbhardt das Glas aus der Hand und ging ins Zimmer zurück. »Vom schwachen Fleisch allein kann der Mensch nicht leben. Er muß auch reden können, sich aussprechen, die Seele befreien. Und er erwartet, daß man ihn versteht. Dafür bin ich da. Ich werde jeden verstehen. Die Heilige Schrift enthält so viel modernes soziales Gedankengut.«
    »Pater!« Gebbhardt drehte sich ganz langsam um. Der Priester stand hinter dem Tisch, goß die Gläser wieder voll und lächelte dabei. »Sie wollen im Priesterrock … Mein Gott!«
    »Wie gut wir uns verstehen, Senhor Carlos. Die Kirche schläft nicht mehr … nicht in diesem Land.«
    »Sie sind einer von den Roten Priestern?« sagte Gebbhardt leise. »Pater, man wird auch Sie hinrichten.«
    »Warum sagen Sie, wie unsere Gegner, Rot? Warum sagen Sie nicht: Ein Priester für die Menschen? Es war ein Fehler der Kirche, in einer zerrissenen Welt jahrhundertelang immer nur von einer heilen Welt zu predigen. Es ist billig, vom Himmelreich zu erzählen und die Hölle auf Erden zu dulden. Wir jungen Priester haben das eingesehen. Das Christentum sollte eine Macht sein, die Ordnung schafft. Ordnung und Gerechtigkeit für alle Menschen. So verstehen wir Christi Auftrag: Gehet hin in alle Welt. Was hat das mit Rot zu tun, oder mit Revolutionen, die nur zerstören? Wir wollen aufbauen.«
    Gebbhardt griff nach dem vollen Glas Rum und leerte es wieder in einem Zug. Diesesmal hustete er nicht. »Die Theoretiker waren schon immer der Kirche liebstes Kind«, sagte er. »Wie stellen Sie sich die Praxis vor, Pater?«
    »Sie ergibt sich von allein, wenn man an der vordersten Front steht. Der eine arbeitet mit dem Skalpell –«
    »Sie wollen Dr. Santaluz' Platz einnehmen?« fragte Gebbhardt überrascht.
    »Ja.«
    Das war eine klare Antwort, und sie räumte alle weiteren Fragen weg. Man sah sich an und wußte plötzlich, daß man einen Freund vor sich hatte.
    »Aber Norina …«, sagte Gebbhardt nach dieser Stille gepreßt. »Glauben Sie, daß man Norina erschießen wird?«
    »Nein. Man wird sie zu zwanzig Jahren Zuchthaus verurteilen. Das ist manchmal schlimmer als ein schneller Tod.« Pater de Sete ging zum Fenster und schloß es. Die Hammerschläge, mit denen die Soldaten die Hinrichtungspfähle in den Boden rammten, wurden ihm unerträglich. »Lieben Sie Norina?«
    Gebbhardt starrte den Priester an, als wäre er geschlagen worden. »Das fragen Sie mich?«
    »Lieben Sie Norina so grenzenlos, daß Sie jede Gefahr auf sich nehmen würden?«
    »Habe ich das nicht bewiesen, Pater? Ich bin bei dem grausamen Gemetzel an ihrer Seite gewesen, und ich habe darum gebeten, wie sie behandelt zu werden.«
    »So etwas ist sinnloses Heldentum, und Sie sind kein Held. Das wissen Sie selbst ganz genau. Senhor Carlos, trauen Sie sich zu, auf einem Mulirücken, zu Fuß, wenn's sein muß auf allen vieren durch den Urwald zu kriechen? Hinüber nach Paraguay? Durch die Sumpfhölle des Mato Grosso?«
    »Warum?«
    »Mit Norina, Sie Idiot!«
    »Mit …« Gebbhardt umklammerte die Tischkante. »Pater, wenn Sie weiter so mit mir reden, schlage ich Ihnen den Schädel ein.«
    »Auch das liegt Ihnen nicht.« Pater de Sete griff in seine Soutane und holte eine Landkarte von Brasilien hervor. Der Weg von Ceres quer durch die Grüne Hölle zur Grenze von Paraguay: ein Weg, von dem es keine Rückkehr gab, nur das Erreichen des Zieles oder den Untergang. »Sie haben Urwalderfahrung, Carlos, das kann Ihnen helfen. Sonst nur noch Gott … und Ihre eigene Kraft.«
    Gebbhardt starrte auf die Karte und fegte sie dann mit einer Handbewegung vom Tisch. »Wie wollen Sie Norina aus dem Loch unter der Erde herausholen, Pater?«
    »Außer den Wachen bin ich der einzige, der zu ihr darf. Wann immer ich will.«
    »Und wenn Norina sich weigert? Sie wissen nicht, wie oft ich sie angefleht habe, mit mir zu kommen.«
    »Überlassen Sie das ruhig einem Priester.«
    »Und warum Norina?«
    »Möchten Sie lieber mit Santaluz flüchten?«
    »Wann?« fragte Gebbhardt schwer atmend.
    »Nach der Verurteilung.«
    »Am Montag morgen beginnen die Hinrichtungen.«
    »Man wird Norina nicht zum Tode verurteilen. Davor rettet sie, daß sie eine Frau ist. Beim Aufstand an der Straße, ja, da hätte man sie im Kampf getötet, aber jetzt, wehrlos und schwach? Vor der Schönheit einer Frau, auch wenn es eine gefährliche Schönheit ist, vergißt ein Südamerikaner nie, daß er ein Hidalgo ist. Warten wir es ab.«
    »Und dann?«
    »Wer exekutiert, wird einen

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