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Straße ins Nichts (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Straße ins Nichts (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Straße ins Nichts (Detective Dave Robicheaux) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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die mit Wellblech gedeckten Hütten, die Bayous und die von Eichen gesäumten Ortschaften droben am Teche hinwegzog. In der kleinen Stadt Loreauville parkte ein Mann seinen Pick-up vor einer aus Brettern gezimmerten Bar und lief durch den Regen zum Eingang. Er trug tief auf der Hüfte sitzende Jeans, sodass sein Bauch entblößt war, spitze Stiefel, eine Brille mit schwarzem Gestell und einen Cowboyhut aus Stroh.
    Als er sich an die Bar setzte, die wegen des schlechten Wetters menschenleer war, nahm er den Hut ab und legte ihn mit der Krone nach unten auf den Hocker neben ihm. Er wischte seine Brille mit einer Papierserviette ab, vergaß dann, dass sie bereits trocken war, und putzte sie erneut, zog dabei eine betroffene Miene, als ob er sich Sorgen machte oder mit einem Problem beschäftigt wäre, das er nicht lösen konnte. Später beschrieb der Barkeeper den Mann als »gut aussehend, mit einer Art Entenschwanzfrisur … Meiner Meinung nach ganz sympathisch, aber für einen Geschirrvertreter hätte ich ihn nicht gehalten.«
    Der Mann bestellte sich eine Limonade und klappte einen mit Gummiringen umwickelten Plastikordner auf, in dem allerlei Lieferscheine steckten.
    »Kennen Sie eine Familie namens Grayson, die dahinten in der Siedlung wohnt?«, sagte er.
    »Kann ich nicht sagen«, erwiderte der Barkeeper.
    Der Mann blickte auf seinen Ordner, riss die Augen auf, als ob er verdutzt wäre. »Sie wohnen neben der Familie Dautrieve«, sagte er.
    »O ja. Fahren Sie die Straße zurück, bis Sie ein paar lange, schmale Hütten sehen. Die Dautrieves wohnen in der zweiten Reihe«, sagte der Barkeeper.
    »Sie haben ein Essservice gewonnen.«
    »Wer?«
    »Die Graysons.« Zur Erklärung hielt der Mann einen Prospekt hoch, in dem allerlei Teller und Tassen abgebildet waren.
    Der Barkeeper nickte geistesabwesend. Der Mann mit dem Plastikordner starrte ins Leere, als sehe er etwas Bedeutsames in der Luft, in den Blitzen, die zwischen den Bäumen entlang des Bayous zuckten. Er bezahlte sein Getränk, dankte dem Barkeeper und fuhr davon, aber nicht zur Siedlung, sondern in die entgegensetzte Richtung.
    Am darauf folgenden Abend regnete es immer noch, als Little Face Dautrieves Tante das Haus verließ, um ihren Dienst an der Pforte des Krankenhauses von New Iberia anzutreten. Little Face wechselte dem Baby die Windeln, steckte ihm einen Schnuller in den Mund und legte es in sein Bettchen. Die Hütte war im vorigen Jahrhundert gebaut worden, aber sie blieb auch bei schlechtem Wetter warm, trocken und heimelig. Wenn es regnete, öffnete Little Face gern das Schlafzimmerfenster einen Spalt weit und ließ den Wind über die Babykrippe und ihr Bett streichen.
    Mitten in der Nacht meinte sie draußen einen Lastwagenmotor und Reifen zu hören, die knirschend über die Muschelschalen rollten, dann ging das Geräusch im Donner unter, und sie schlief wieder ein.
    Als sie aufwachte, stand er in seinem eng anliegenden T-Shirt, das sich nass an seinen Oberkörper schmiegte, neben ihr. Er verströmte einen erdig feuchten Körpergeruch wie Wasser am Grunde eines austrocknenden Bachlaufs; ein vernickelter Revolver, dessen Griffschalen mit Isolierband umwickelt waren, lag locker in seiner rechten Hand.
    »Ich komm aus dem Regen«, sagte er.
    »Ja, das seh ich. Hier im Haus regnet es nicht«, erwiderte sie und stützte sich mit den Händen auf, hatte das Gefühl, als ob ihr eine Gräte im Hals steckte.
    »Haben Sie was dagegen, wenn ich hier bleibe? Im Trockenen, meine ich?«, fragte er.
    »Sie sind doch schon hier, oder nicht?«
    Er knetete den Revolvergriff, und jedes Mal, wenn er die Hand öffnete, lösten sich die klebrigen Ränder des Isolierbands schmatzend von seinem Lederhandschuh. Sein Gesicht war blass, der Mund wirkte im flackernden Schein der Blitze draußen weich und rot. Er leckte sich die Lippen und warf einen Blick zum Fenster, durch das feuchter Dunst zog, der sich auf dem Kinderbett niederschlug.
    Der Mann stieß das Fenster zu und warf einen Blick auf das Baby, das mit hoch gerecktem Hintern in seinem Bettchen schlief. Ein Kissen war in eine Lücke zwischen zwei Gitterstäben gestopft. Aus irgendeinem Grund, vielleicht, weil das Fenster zu laut geklappert hatte, wachte das Baby auf und fing an zu schreien. Der Mann zerrte das Kissen aus dem Spalt, knüllte es in der linken Hand zusammen und drehte sich zu Little Face um.
    »Warum haben Sie sich mit lauter Widerlingen eingelassen? Warum haben Sie Ihr Mundwerk nicht gehalten?«,

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