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Strom der Sehnsucht

Titel: Strom der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Blake
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schwenkte den Weinbrand, so daß sich die Wände des Glases mit einem irisierenden Schimmer überzogen. »Selbst wenn ich Claire gesehen hätte und wüßte, wo sie sich in diesem Augenblick aufhält, wie könnte ich es Euch verraten? Ich würde ein Mitglied meiner Familie preisgeben; es wäre gerade so, als wenn ich Euch meine eigene Schwester in die Hände spielte.«
    »Eure Skrupel sind rührend, aber habt Ihr auch bedacht, wie teuer Euch das zu stehen kommen wird?«
    Sie sah ihm mit ihrem klaren Blick offen in die Augen. »Was kann es mich jetzt wohl noch kosten?«
    »Bedenkt«, antwortete er und neigte den Kopf, »im Haus Eurer Tante war alles still, als ich es vorhin betrat, und als wir gingen, wurde nicht Alarm geschlagen. Wahrscheinlich ist Eure Abwesenheit bis jetzt nicht bemerkt worden. In diesem Fall wäre es so, als hätte dieses Intermezzo nie stattgefunden, wenn ich Euch bis zum Morgen zurückbrächte. Euer Name bliebe dann ohne Makel; es gäbe keine pikanten Gerüchte, die Euch das Leben vergällen. Aber wenn ich Euch am hellichten Tag abliefere und Euren Nachbarn und der Dienerschaft freie Aussicht auf dieses erfreuliche Schauspiel biete, welche Folgen wird das haben?«
    Es war unschwer zu erraten. Die Geschichte würde von Ohr zu Ohr geflüstert. Die Matronen und Sittenwächterinnen der Gemeinde würden darin wetteifern, sich mit gerafften Röcken von ihr abzuwenden. Die Mütter ihrer Freundinnen würden ihre Töchter dazu anhalten, ihr aus dem Weg zu gehen, ja, diese täten es schon von sich aus, um sich nicht gleichfalls zu besudeln. Kein junger Mann würde ihr dann noch seine Aufwartung machen, die Burschen der Gegend kämen nur noch, um mitten in der Nacht unter ihrem Fenster zu johlen und zu grölen. Dann könnte sie sich gleich damit abfinden, das einsame Leben einer alten Jungfer zu führen, oder -sollte sie das Alleinsein nicht mehr aushalten - ein Straßenmädchen zu werden.
    »Schauderhafte Aussichten«, murmelte er mit einem Blick auf ihr blasses Gesicht.
    »Ihr... ihr könntet doch nicht so hartherzig sein.«
    »Täuscht Euch nicht. Ich könnte noch Schlimmeres sein oder tun, um den Mörder meines Bruders in die Finger zu kriegen.«
    Angeline starrte ins Feuer. »Wenn es so kommen soll, kann ich es nicht verhindern. Tut, was Ihr für richtig haltet.«
    »Ich glaube nicht, daß Ihr Euch über das im klaren seid, was Ihr Euch mit dieser Haltung aufbürdet«, entgegnete er scharf, »habt Ihr Euch denn einmal überlegt, ob Claire dieses Opfer überhaupt wert ist?«
    »Ich tue es nicht für sie, sondern um meiner Ehre willen.«
    »Ihr wißt also, wo sie ist, und wagt es, hier zu sitzen und dieses Wissen in aller Scheinheiligkeit zu leugnen! Ist Euch eigentlich klar, meine liebe Angeline, wie nah Ihr daran seid, Prügel zu beziehen?«
    Die Worte kamen ihm schroff von den Lippen. Die blutunterlaufenen und verkrusteten Spuren ihrer Fingernägel traten deutlich hervor. Als er sich über sie beugte, stand in seinen Augen ein kaltes Licht. Sie sah ihn verächtlich an. »Ich habe mich schon gewundert, wie lange es noch dauert, bis Ihr mir das androht.«
    »Nicht mehr lange.«
    »Soll ich Euch jetzt etwa kniefällig bitten, mich nicht zu schlagen? Ich habe wahrhaftig Grund zu der Annahme, daß es vergebens wäre. Seht Ihr, Eure Taktik ist falsch. Ein Mensch, dem man droht, hat große Angst vor dem Unbekannten. Da Ihr mir bereits das letzte angetan habt, was eine Frau an Mißhandlung erdulden kann, könnt Ihr mir keine Furcht mehr vor Eurer nächsten Handlung einflößen.«
    War es der Cognac, der sie dazu ermutigt hatte? Sie wußte es nicht, und doch sprudelten diese provozierenden Worte mühelos aus ihr heraus.
    Der Prinz trank sein Glas leer und stellte es auf den Tisch, dann legte er ihr schwer die Hände auf die Schultern. »Wenn Ihr der Meinung seid, ich hätte Euch schon der schlimmstmöglichen Behandlung unterzogen, sage ich Euch, daß Ihr Euch irrt. Es war nicht ein Zehntel dessen, was Ihr erleiden könntet, wenn mir der Sinn danach steht. Kein Mensch wird sich einmischen, ganz gleich, wie sehr ich Euch mißhandle. Wenn Ihr eigensinnig bleibt, werde ich Euch hierbehalten und so lange foltern, bis ich die gewünschte Antwort aus Euch herausgeholt habe.«
    »Meine Tante wird mich morgen früh vermissen. Sie wird Alarm schlagen.«
    »Vielleicht, aber ich bezweifle doch sehr, daß sie der Suchmannschaft gegenüber erwähnen wird, Ihr könntet bei mir sein. Daraus würden so viele unbequeme Fragen

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