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Strom der Sehnsucht

Titel: Strom der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Blake
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halten?«
    Der Vorschlag wurde von anderen aufgenommen, wiederholt und beklatscht. Angeline warf Rolf einen flüchtigen Blick zu. Er hatte die zweite Pistole in der Hand, und seine bronzenen Züge waren verschlossen und ausdruckslos.
    Sie hatten so viel getrunken, daß sie sämtliche menschlichen Hemmungen fallen gelassen hatten; sie waren nicht nur bereit, sondern sogar darauf erpicht, auf Kosten anderer ihren Spaß zu haben. Daß sie wegen einer so hirnverbrannten Wette das Leben eines Menschen aufs Spiel setzten, kümmerte sie nicht mehr. Angeline überkam eine gewaltige Wut. Als sie zögerte, dem Vorschlag nachzukommen, schlug der Spott der anderen zu einer Schimpfkanonade um. Angeline wollte sie anbrüllen, aber in einem Anflug gefährlichen Stolzes verbot sie es sich. Auf dieses Niveau wollte sie sich keineswegs begeben. Denen konnte sie jetzt nur durch eigene Entschiedenheit die Stirn bieten.
    Hocherhobenen Hauptes verließ sie das Mädchen und schritt auf die Kandelaber zu. Als sie die durchlöcherte Wand erreicht hatte, drehte sie sich um. Den hübschen Mund zu einem verächtlichen Lächeln verzogen, hielt sie die Karo-Sechs mit der einen zerfetzten Farbe hoch.
    Überraschtes Schweigen breitete sich aus. Schließlich wurde es von Meyers ruhiger Frage gebrochen: »Da die Person, die das Ziel hält, ausgetauscht wurde, ändert das auch den Preis?«
    Rolf zog die dunkelblonden Brauen zusammen, so daß sich seine Stirn in Falten legte. Oskar, dem eine braune Locke ins Gesicht gefallen war, blickte von Angeline auf das junge Mädchen und dann auf seinen Anführer, wobei seine Haselnußaugen von plötzlichem Zweifel überschattet wurden.
    Erst in diesem Augenblick durchschaute Angeline ganz, wo sie da hineingeraten war. Der Wettstreit hatte endgültig über die Frage entscheiden sollen, wer die Nacht mit dem Mädchen aus Neuschottland verbringen durfte. Aus Versehen oder durch ein Mißgeschick waren nur fünf Frauen hergekommen, also eine zu wenig für die sechs Männer, Gustav, Leopold, Meyer, Oswald, Oskar und natürlich Rolf.
    Da sie den Platz der Akadierin eingenommen hatte, war sie jetzt-wie Meyer so zartfühlend angefragt hatte - wohl auch der Siegespreis? Sollte dies der Abend werden, an dem sie nicht mehr ausschließlich die Bettgenossin des Prinzen blieb, sondern unter seinen Leuten herumgereicht wurde?
    Die lebhafte Neugier der Männer und Frauen am Kamin und die Bedeutung der Wette wurden ihr schlagartig klar. Auch die Verzweiflung des Mädchens wurde verständlich, da sie sowohl Gegen-stand des Wettbewerbs als auch halbnackte Zielscheibe der nicht mehr ganz nüchternen Schützen war. Na gut. So bizarr und irreal die Situation auch war, Angeline konnte daran nichts ändern. Ihr blieb nur, die Sache schnell hinter sich zu bringen.
    Also blieb sie ruhig und aufrecht stehen, das Kerzenlicht schien auf ihr Haar wie auf geschmolzenes Kupfer, fiel auf ihr makelloses Gesicht und ließ ihre Augen in trotzigem Graugrün aufleuchten. Es drang durch ihr dünnes Leinennachthemd und betonte das anmutige Gleichmaß ihrer Gestalt durch einen Schimmer von blassem Gold, durch die sie ätherisch und doch göttlich lasziv wirkte.
    Rolf starrte sie mit grimmigen türkisblauen Augen an. Plötzlich schob er das Kinn vor. Meyers Frage hatte er ignoriert, und die Spannung, die plötzlich im Raum lag, ging immer mehr von der Karte aus, die Angeline hielt, und bannte alle Blicke vollkommen auf dieses Rechteck aus buntem Karton. Das Licht glitt an der reich verzierten Pistole entlang, als Rolf sie hob, eine seitwärtige Drehung wie beim Duell vollführte, den Lauf der Waffe senkte und ruhig zielte.
    Der Knall des ersten Schusses war in diesem engen Raum betäubend laut. Etwas Kleines summte an Angelines Ohr vorbei wie ein Insekt, riß an der Karte in ihrer Hand, und kleine Brocken Putz wurden ihr ins Gesicht geschleudert, als die Kugel in die Wand hinter ihr einschlug. Sie kniff die Augen zu, hatte aber gar nicht die Zeit, zusammenzuzucken. Wieder und wieder feuerte Rolf in dichtem Kugelhagel, hob eine der vorbereiteten Pistolen nach der anderen und zielte jedesmal genau und in einem leicht veränderten Winkel. Als die Explosion des sechsten und letzten Schusses verklang, war er ganz von Pulverdampf umhüllt.
    Er senkte langsam den Arm, änderte aber nicht seine straffe, angespannte Stellung, bis Oskar zu Angeline hinlief und ausrief: »Alle sechs!«
    Die anderen brüllten Beifall und schrien nach Wein, um zu feiern. Die Gläser

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