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Strom der Sehnsucht

Titel: Strom der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Blake
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rechnete mühsam die Punkte auf seinen Karten zusammen, indem er jeden einzelnen mit schwieligen Fingern abzählte.
    Die Damen standen alle auf einer Seite, hinter einem einzigen Spieler. Angeline begriff, daß sie der Einsatz im Spiel waren, und zu ihnen paßte so etwas ja auch. Sie schlangen die Arme um den Spieler, der sie gewonnen hatte, und streichelten ihm über Hände und Schultern.
    Rolfs Augen glänzten vor Wein und Ausgelassenheit. Gern ließ er sich diese Liebkosungen und die Opfer gefallen, die sie bereitwillig machten, um bei ihm bleiben zu können, als sich sein Glück wendete. Die Frauen - sie waren jung und attraktiv, meist brünett, ein oder zwei waren messingblond - waren nicht mehr vollständig angezogen: Sie legten ihre Kleider ab und häuften sie statt ihrer selbst als Pfänder auf den Tisch. Ein spitzenbesetzter Straps tauchte auf, und es gab ermutigende Rufe und Vorfreude, besonders da die Frau, die ihn beigesteuert hatte, nur noch ein knappes Mieder trug. Das Strumpfband fiel auf zwei Kleider in schreienden Farben und Mustern und einige Paar Schuhe. Wenn es so weiterging, mußten die
    Damen bald eine nach der anderen nackt jenen Spielern zufallen, denen das Glück am längsten treu blieb.
    Angeline registrierte das alles, und plötzlich erregte etwas anderes ihre ganze Aufmerksamkeit: Der Prinz war völlig entspannt, freute sich über die Niederlage seiner Männer und genoß die groteske Situation, daß die Damen in seinem Rücken noch ihre Kleider trugen. Angeline hatte ihn noch nie in so ausgelassener Stimmung gesehen, ohne die Bürde strenger Selbstbeherrschung, ohne einen Schatten von Verstellung. Das gelöste Lächeln, das immer wieder über sein Gesicht glitt, und die Lachfalten um seine Augen waren von überwältigendem Charme. So muß er gewesen sein, bevor sein Bruder ermordet wurde, dachte sie, bevor man ihn beschuldigt hat, den Thron des Vaters usurpieren zu wollen. In diesen Stunden, wo sie fern war, hatte er die Last der ungewollten Verantwortung abwerfen und im Zeitvertreib früherer Tage Vergessenheit suchen können, wobei Alkohol keine geringe Rolle spielte.
    Unten im Saal gab es nur eine Person, die weder das Spiel noch die Rolle als Pfand genoß. Es war eine der Frauen, die gewiß nicht älter als siebzehn sein konnte. Sie stand in einiger Entfernung von den anderen und hatte den Blick zu Boden gesenkt. Als Leopold ihr eine flüchtige Bemerkung zuwarf, lächelte sie ihn ängstlich an, dann sah sie schnell wieder woanders hin.
    Das Mädchen, dachte Angeline, sieht wie eine junge Akadierin aus mit den weichen braunen Haaren und sanften Augen, der kräftigen Figur, dem zarten Gesicht, den feingliedrigen Händen, dem freundlichen, zwar nervösen, aber nicht schüchternen Verhalten. Wo waren ihre Leute, ihre Familie, oder war das Mädchen so allein wie sie?
    Rolfs Aufmerksamkeit war von Leopolds Geschäker geweckt worden, und er warf einen Blick auf die Acadienne. Dann lächelte er ihr leise zu, umfaßte ihre Taille, und ohne Rücksicht auf die Zurücksetzung der anderen Frauen, die sich an ihn schmiegten, zog er sie auf seinen Schoß. Das Mädchen ließ sich nieder und blinzelte ihn ängstlich und nervös durch ihre Wimpern an. Der Prinz nahm sein Weinglas, trank daraus und reichte es ihr. Ohne Zögern trank sie von der Stelle, die seine Lippen berührt hatten.
    Angeline rappelte sich mit äußerster Vorsicht auf. Ihre Glieder waren steif und verkrampft, und sie war seltsam verlegen. Sie schlich sich rückwärts, bis sie außer Sicht war. Dann kehrte sie ins Schlafzimmer zurück und achtete sorgfältig darauf, die Tür leise hinter sich zu schließen.

8
    Ein Schuß donnerte durch das Haus und brachte die Wände zum Erzittern. Wie ein Echo ertönte ein gellender Entsetzensschrei. Angeline schrak im Bett hoch. Sie hatte nicht einschlafen, sondern die Augen bloß für einen Moment schließen wollen. Unter die Decke war sie nur geschlüpft, weil sie so kalte Füße hatte. Als sie jetzt so jäh aus dem Schlaf gerissen wurde, wußte sie zuerst nicht, wo sie war, und wunderte sich, als hinge sie einem Alptraum nach, dessen Wirkung bald abklingen mußte.
    Wieder sprengte ein Schuß die Nacht, sie hörte eine Kugel pfeifen und aufprallen. Das war kein Traum. Wieder hallte ein Schrei, auf den laut und höhnisch das Gelächter von Frauen folgte. Und dann Stimmengemurmel, zwar unterdrückt, aber tief, es kam von unten aus dem Saal und brach auf ein knappes Kommando, still zu sein, abrupt

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