Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Strom der Sehnsucht

Titel: Strom der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Blake
Vom Netzwerk:
fliegenden Flanken peitschten.
    Es war Wahnsinn, das wußte sie. Dieser Pfad war mit Ranken und Wurzeln überwuchert, über die der Wallach stolpern konnte, und mit Ästen zugewachsen, die sie vom Sattel fegen mußten. Sie konnte von Glück sagen, wenn sich ihr Pferd nicht das Bein oder sie sich das Genick brach oder beides. Doch die Wut darüber, mit welch grenzenloser Naivität sie Rolf in die Falle gegangen war, spornte sie an. Daß sie sich genau nach seinem Plan verhalten hatte, daß er sie einmal mehr ausmanövriert hatte, während sie sich die ganze Zeit eingebildet hatte, ihm entkommen zu sein, brachte Angeline in Rage. Die Möglichkeit, daß ihre Lesart der Ereignisse falsch sein könnte, zog sie kaum in Betracht. Der Plan paßte haargenau zu Rolf, und sie zweifelte keinen Augenblick an der Richtigkeit ihres Verdachts. Und als ob sie Bestätigung gebraucht hätte, erklangen jetzt hinter ihr Hufschläge von Pferden, die scharf geritten wurden, gedämpftes Getrappel auf dem weichen Bett der Straße, die sie gerade verlassen hatte. Es war deutlich zu hören und kam rasch näher. Kein Echo.
    Angeline trieb den weißen Wallach zum Galopp. Sie beugte sich tief über den Hals des Pferdes und griff mit der Hand in die Mähne. Sie redete auf ihn ein, und wußte doch kaum selbst, was sie sagte. Mühsam richtete sie den Blick auf die dunklen Umrisse der Bäume, die ihr entgegeneilten. Sie kannte den Weg gut und hätte ihn blind gefunden; das war ihr Vorteil gegenüber den Verfolgern. Sie mußten vorsichtiger nachkommen; außerdem konnten sie nicht ausschwärmen und Angeline überholen, sondern mußten hintereinander reiten. Wenn sie das Haus vor ihnen erreichen und Tante Berthe oder sogar die Dienerschaft alarmieren konnte, blies der Prinz die Jagd vielleicht ab. Wenn irgend möglich, wäre sie lieber heimlich zurückgekehrt, ohne daß das Gesinde etwas merkte. Da es nicht anders ging, mußte sie tun, was sie konnte, um demjenigen, der es gewagt hatte, sie gefangenzunehmen, einen Strich durch die Rechnung zu machen.
    Äste schlugen Angeline ins Gesicht, als sie dahinstürmte. Ihr Haar verfing sich in einem Zweig, und sie wurde beinahe aus dem Sattel gefegt, eine feine, dünne Strähne wäre fast mit den Wurzeln ausgerissen worden, als die Spitze des Zweiges nachgab. Die Flanken des Wallachs hoben und senkten sich schwer, Schaum wehte zurück und durchtränkte Angelines Kleid. Sie sprach leise auf das Pferd ein, und es kämpfte sich weiter mit flammenden Nüstern und fliegenden Hufen.
    Und endlich huschte ein Lichtschein durch die Bäume. Er kam vom Herrenhaus der de Buys, das sich fest und viereckig inmitten von Gärten erhob. Ein leichter Phaeton stand davor, die blaue Farbe schimmerte in dem Lichtstrahl, der aus den Fenstern zum Salon fiel, aber Angeline nahm kaum etwas davon wahr. In einer Gischt zermahlener Muscheln, mit denen die Auffahrt bestreut war, zügelte sie ihr Pferd. Sie schwang ein Bein über den Hals des Tieres, ließ sich aus dem Sattel gleiten und sprang leichtfüßig zu Boden. Vom Wald her kam eine Reiterschar, die in grimmigem Schweigen den Pferden die Zügel schießen ließ.
    Angeline preßte die Lippen zusammen und warf einen Blick auf die Herren der Garde, dann raffte sie die Röcke und rannte die Treppe hinauf zum Vorbau mit der großen verglasten Eingangstür.
    Es war nicht üblich, das Haus zu verschließen, bevor die Familie zu Bett ging. Der Bronzeknauf gab unter Angelines Händen nach, und die großen Flügel schwangen auf. Von links aus dem Salon kamen Stimmen, und sie wandte sich in diese Richtung, während sie vom Eingang her Hufschläge hörte. Rolf bellte einen Befehl. Bedächtig schlurfte der weißhaarige schwarze Butler heran. Sein Gesicht hellte sich überrascht auf, als er Angeline sah, dann zeigten sich darauf Schock und Entsetzen, als er ihr verdrecktes Kleid, das Männerhemd, das sie trug, und das wild zerzauste Haar wahrnahm.
    »Mam’zelle Angeline!«
    »Wo ist mein Tante?«
    »Im Salon, Mam’zelle, aber Ihr könnt jetzt nicht hinein, nicht so. Sie hat Besuch...«
    Angeline hörte nicht mehr zu. Sie rannte schnell zur Tür, die in den Salon führte, stieß sie auf und stürzte hinein.
    Der Raum diente ausschließlich dazu, Besucher zu empfangen und war mit seinen französischen Möbeln mit geschwungenen Beinen, den Samtpolstern und Brokatvorhängen ausgesprochen luxuriös eingerichtet. Goldumrahmte Spiegel hingen unter stilisierten Blumen aus vergoldetem Stuck, und auf den

Weitere Kostenlose Bücher