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Strom der Sehnsucht

Titel: Strom der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Blake
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gefangengehalten zu werden, daß Ihr mir jetzt dasselbe antun müßt?«
    Diese Beschuldigung verschlug Angeline den Atem. Sie starrte Rolf an und fragte sich in ihrer quälenden Wahrheitsliebe, ob er nicht recht haben könnte. »Vielleicht sehe ich Euch lieber unverschämt gesund als unverschämt und krank, und außerdem weiß ich, daß Ihr mir erst, sobald Ihr wieder bei Kräften seid, aus dem Schlamassel helfen könnt.«
    »Sehr vernünftig, aber Ihr habt meine Frage noch nicht beantwortet.«
    »Was spielt das jetzt für eine Rolle? Wir sind hier, und Claire auch. Sie kann Euch nicht entkommen, da sie ebenso sicher bewacht wird wie wir. Vielleicht gibt es eine Möglichkeit, uns zu befreien, aber im Moment sehe ich keine. Bis ich’s tu... bis Ihr es tut... warum wollt Ihr Euch nicht solange ausruhen?«
    Sein leicht verschleierter Blick streifte sie. »Eine furchtlose, ungeduldige Hexe, die mir mit offener Jacke Balsam und Myrrhe verabreicht. Ich glaube, ich ziehe sie der verwundeten Jungfrau vor und vertraue ihr sonderbarerweise mehr.«
    Er nahm das Glas, das sie in der Hand hielt, und trank es bis zur Neige aus. Bald schlief er ein.
    Angeline stand noch lange da und starrte auf ihn hinunter. Das Glas in ihren tauben Fingern hatte sie vergessen. Schließlich seufzte sie; sie fühlte sich wie nach einer schweren Schlacht, die sie gegen eine große Übermacht gewonnen hatte, und nahm ihren Platz auf dem Schemel wieder ein.
    Mit seinem üblichen Scharfsinn hatte er, obwohl er vor Schmerz fast blind und halb bewußtlos war, den Nagel wieder einmal auf den Kopf getroffen. Was mußten diejenigen, die sie so aufgelöst hatten aus der Kutsche steigen sehen, McCullough, Claire, die Gardisten und alle anderen, von ihr gedacht haben? Sie hielten sie sicher für eine Hure oder zumindest für eine Schlampe wie ihre Tante. Sie konnte es ertragen, aber als sie mit zitternden Fingern die hochtaillierte Jacke und die Bluse darunter zuknöpfte, wünschte sie, diesen Eindruck verwischen und von vorne anfangen zu können.
    Rolf hatte sie zu dieser Hingabe verführt, aber sie konnte es ihm nicht übelnehmen. Sie hatte wirklich nicht allzusehr protestiert, ja, sie hatte jene Kutschenepisode in ihrer Zügellosigkeit sogar genossen, nachdem er sie erst zum Nachgeben gezwungen hatte. Man hatte sie aus ihrem geregelten Leben bei der Tante gerissen und in die Welt geworfen, und nun entdeckte sie ständig neue unbekannte Seiten und Mängel ihres Charakters.
    Die frühe Winterdämmerung brach schon an, als schließlich jemand an die Tür klopfte. Angeline kam steif auf die Beine und öffnete. Draußen stand Leopold mit steilen Sorgenfalten auf der Stirn. Angeline antwortete auf seine besorgten Fragen nach seinem Cousin so gut sie konnte: Rolf schlafe jetzt, und die Blutung sei gestillt.
    »Wir haben Kriegsrat abgehalten«, flüsterte Leopold. »Wir könnten uns vielleicht mit Gewalt befreien, trotz der Doppelposten an den Türen und Fenstern. Aber ohne Rolf können wir auf keinen Fall fort. Außerdem ist Mademoiselle de Buys hier. Zweck unserer Reise war es, sie aufzuspüren, und es besteht keine Notwendigkeit, weiter nach ihr zu suchen.«
    »Ja, ich weiß. Ich... ich habe ähnliche Wunden gesehen, als ich meiner Tante bei der Pflege von verletzten Sklaven geholfen habe.
    Die Pistolenkugel ist von der Rippe abgeprallt und hat sich durch die Seite gebohrt. Es ist eine schwere Verletzung, und es wäre das beste, Rolf ein paar Tage lang nicht von der Stelle zu bewegen. Was Claire betrifft, so glaube ich, daß er lieber in ihrer Nähe bleiben will, wenn wir sie nicht mitnehmen können, auf alle Fälle jedenfalls, solange für keinen von uns echte Gefahr besteht.«
    Leopold schüttelte die dunklen Locken. »Soviel ich mitbekommen habe, ist sich dieser Räuber sicher, wir seien alle Adelige und er könne unsere Familien melken wie Milchkühe. Zweifellos hat der schottische Dummkopf vor, mit dem Gold, das er uns abpressen will, ein Herrenleben zu führen. Da hat er Pech gehabt, aber es wird einige Zeit dauern, bis er es merkt.«
    »Und Zeit«, murmelte Angeline, »ist es, was wir jetzt brauchen.«
    Leopold schaute sie an und ließ den dunklen Blick über ihr Gesicht gleiten. »Mademoiselle, Ihr seht müde aus. Ich übernehme gerne Eure Wache, damit Ihr Euch ausruhen könnt.«
    »Jetzt nicht«, erwiderte sie, »vielleicht später.«
    Es wurde Abend. Der Schemel ohne Rückenlehne war alles andere als bequem. Angeline rutschte unruhig hin und her und

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