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Strom der Sehnsucht

Titel: Strom der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Blake
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Zwar rann Gustav aus einer schräg verlaufenden Stirnwunde das Blut in sein einziges gesundes Auge, Meyer hielt sich die Schulter, und Oskar hatte sich wieder am Handgelenk verletzt, aber sie waren zumindest alle am Leben.
    Bei den Männern, die sie überfallen hatten, war das nicht der Fall. Dort, wo die Leibgardisten zuletzt die Stellung gehalten hatten, stapelten sich Menschenleiber wie Klafterholz. Einige wenige lebten freilich noch und ächzten und fluchten. Offensichtlich waren sie von fast vierzig Räubern - es standen also mehr als sieben gegen einen - attackiert worden. Bei diesem Überraschungsangriff auf offener Straße hatten Rolfs Leute keine Chance gehabt, obwohl sie sich nicht übel geschlagen hatten. Die geringste Deckung, die Spur einer schützenden Stellung, und ihre Gefangennahme wäre zweifelhaft gewesen.
    »Wollt Ihr nicht einsteigen?«
    Angeline drehte sich abrupt um. Der schottische Häuptling hielt ihr den Schlag auf und wartete darauf, daß sie in die Kutsche stieg. Auf dem hinteren Sitz lag Rolf, und ein dunkler Fleck breitete sich aus seiner Seite über das braune Samtpolster wie verschütteter Wein. Sie überlegte, ob sie fragen sollte, wohin man sie brachte und was man mit ihnen vorhatte, doch sie unterdrückte diesen Impuls. Es gab Dinge, die man nicht unbedingt im voraus erfahren mußte. Der Anführer nahm Angeline am Ellbogen, um sie hineinzuschieben, aber sie riß sich los, und während sie selbständig in das Gefährt hineinkletterte, warf sie ihm einen kühlen Blick zu.
    Rumpelnd setzte sich die Kutsche in Bewegung. Angeline nahm den zerknitterten Unterrock, den sie vor kurzem abgelegt hatte, riß die unteren Volants für einen Verband in Streifen und knöpfte Rolf die Jacke auf.
    Nach einiger Zeit bogen sie in eine schlammige Fahrspur ab, die so eng war, daß die Zweige der Bäume an der Karosserie entlangschrappten und durch das zerbrochene Fenster schlugen. Sie holperten vorwärts und schlingerten hin und her durch die Schlaglöcher. Rolf bewegte sich. Ein leises Stöhnen entrang sich seiner Kehle, und er öffnete die Lider. Er starrte Angeline verständnislos an, bis es in seinen türkisblauen Augen klarer wurde. Leise murmelte er: »Hochmut kommt vor dem Fall - eigentlich wollte ich Euch beschützen.«
    »Aber es waren so viele, und sie haben uns erwartet.«
    »Ja, und wer mag wohl der Herold gewesen sein, der unser Kommen angekündigt hat?«
    Darauf gab es nur eine Antwort, und doch schien ihr der Gedanke so weit hergeholt, daß sie ihn nicht aussprach. »Wie geht es Euch?«
    Für einen Moment vertrieb ein Glitzern den Schmerz aus seinen Augen. »Eingewickelt und gehätschelt und mit Thors Hammer auf den Kopf getroffen. Wenn sich Eure Gehirnerschütterung vor drei Tagen ebenso angefühlt hat, muß ich mich in tiefer Zerknirschung für die Kutschfahrt entschuldigen.«
    »Ihr habt eine Menge Blut verloren, und ich glaube, es hat Euch jemand im Fallen einen Schlag versetzt, nachdem Ihr angeschossen wurdet.«
    »Wie niederträchtig. Ich frage mich bloß, warum sie nur halbe Arbeit geleistet haben.«
    Seine Kaltblütigkeit war schon fast erschreckend. »Soweit ich weiß, aus finanziellen Gründen: Man erwartet ein Lösegeld für Euch - und die anderen.«
    »In diesem Fall«, erwiderte er und ließ die Lider sinken, »dürfen wir mit einem rauschenden Empfang rechnen.«
    Wenig später fuhr die Kutsche vor einem langgestreckten Blockhaus aus grauen Zypressenholzbalken mit Schindeldach vor. Zu beiden Seiten ragten Kamine empor, aus denen schwarze Rauchfahnen wehten. Rechts und links davon standen zwei ähnliche Gebäude, und im Hintergrund waren Stallungen und Verschläge für Tiere zu sehen. Der Ort, wo sie überfallen worden waren, war einige Meilen von diesem Räubernest entfernt. Die Wachen, die mit Gewehren im Arm auf der Veranda standen, gaben ihm etwas von der Atmosphäre eines Heerlagers. Der Eindruck wurde von einer Meute räudiger Hunde verstärkt, die um die Hausecken und aus dem geräumigen Gang, der die Hütte teilte, auf sie zugestürzt kamen. Die braunen, schwarzen und schmutziggelben Köter waren von enormer Größe und unbestimmter Rasse und bellten sie mit gesträubtem Nacken und wild gefletschten Zähnen an, so daß es gefährlich schien, aus dem Wagen zu steigen.
    Ein lauter Befehl und einige wohlgezielte Tritte, und die Hunde gaben Ruhe, doch sie umrundeten noch immer das fremde Gefährt, beschnüffelten die Tür und hoben die Beine an den Rädern. Die Männer der

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