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Strom der Sehnsucht

Titel: Strom der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Blake
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stand auf der Schwelle und überlegte, ob sie sich zu McCullough und einigen seiner Männer an den Tisch setzen oder in den Korridor zurückkehren sollte, wo die übrigen Mitglieder der Leibwache Karten spielten oder mit ihren Wächtern um die Wette Tabaksaft in den Hof spuckten. Es gab noch eine dritte Möglichkeit. Claire war zwar nicht in Sicht, aber Morning Star hantierte am Kamin herum, hob Topfdeckel, rührte, begoß den Spießbraten und knetete in einer großen Holzschüssel das unvermeidliche Maisbrot. Hocherhobenen Hauptes ignorierte Angeline McCulloughs Gruß und Verneigung, ging hinüber zu der Indianerin und bot ihr mit warmem Lächeln ihre Hilfe an. Sie nahm ihr die Kelle aus der Hand. Morning Star betrachtete sie kurz und abschätzend mit ihren unergründlichen schwarzbraunen Augen, nickte dann und trat ihr den Löffel ab. Sie sah zu, wie Angeline das Bratenfett über das Fleisch goß und den Spieß sacht drehte, dann wandte sie sich zufrieden ab, denn der Braten war in geübten Händen.
    Die Männer versammelten sich mit Rufen, derben Späßen und enormem Appetit. Zwischen der Garde und der Bande gab es einige Rivalität, und das Klima war nicht eindeutig freundlich. Offenbar war Rolfs Leibwache - ob per Abmachung oder von selbst - übereingekommen, ihren Bewachern Respekt einzuflößen und ihre Wachsamkeit zu untergraben. Bis jetzt hatten sie damit nicht viel Erfolg gehabt, aber unter den Umständen war es ein vernünftiges Vorhaben.
    Die ledigen Männer der Horde nahmen die Mahlzeiten bei ihrem Häuptling ein. Die anderen, die verheiratet waren oder zumindest Frauen hatten, die sich um ihre Bedürfnisse kümmerten, hielten sich meist in den anderen Blockhütten auf, die ums Hauptgebäude verstreut lagen. Tagsüber hatte Angeline die Rufe spielender Kinder und Babygeschrei vernommen, Lärm, wie in jedem kleinen Dorf. Was geschah mit diesen Angehörigen, wenn das Lager überfallen wurde? fragte sie sich. Und von wieviel Dummheit und Anmaßung waren diese Männer besessen, daß sie ihre Familien einer solchen Gefahr aussetzten?
    Als Claire ins Zimmer kam, zog sie die Augen aller Männer auf sich. Sie trug einen lindgrünen Samtrock und einen Spenzer aus orangefarbenem Satin, und ihr Haar war frisiert, als habe sie den ganzen Nachmittag ausschließlich damit verbracht, für einen außergewöhnlichen Anlaß Toilette zu machen. Es dauerte einige Zeit, bis Angeline wahrnahm, daß sie in gleicher Weise die Aufmerksamkeit auf sich zog. Die begehrlichen Blicke der Männer auf ihr Haar, ihr von der Hitze des Feuers gerötetes Gesicht, den schicklichen Ausschnitt ihres Kleids und den ringlosen Finger reichten aus, um ihr den Appetit zu verderben. Auch McCullough musterte sie aus schmalen, tabakbraunen Augen abschätzend, während er sich Bohnen in den Mund schaufelte.
    Meyer und Oskar, die sie in drohender Haltung flankierten, machten die Sache nicht besser. Als wolle er sie mit einer schützenden Aura umgeben, legte ihr Meyer immer wieder neue Leckerbissen auf den Teller, beugte sich zu ihr, um sich mit ihr im Flüsterton zu unterhalten, berührte sie am Arm, um ihre Aufmerksamkeit zu erregen, und lächelte ihr in die graugrünen Augen.
    Claire beobachtete alles mit spöttischem Lächeln. Sie zerkrümelte einen Maisfladen mit ihren langen, weißen Fingern und richtete den smaragdgrünen Blick auf einen bärtigen Räuber, der nur noch ein
    Ohr besaß, da ihm das andere in einem Freistilkampf abgebissen worden war. Kurz darauf sprang der Einohrige mit einem Schrei auf und stürzte sich auf den Mann neben ihm. Claire sah voller Abscheu zu, wie sie sich unter Püffen, Stößen und Tritten auf dem Boden wälzten, aber hinter ihren gesenkten Lidern glitzerte aufgeregte Begeisterung.
    Die anderen achteten nicht besonders auf den Kampf, bis im Licht der Lampen Messerklingen aufblitzten. Die beiden Männer umkreisten sich grinsend. Unter Gestöhn und Gefluch stießen und stachen sie zu. Ein schneller Tritt, und Blut troff vom Ärmel des bärtigen Einohrigen. Mit schmerzverzerrtem Gesicht durchbrach er die Deckung seines Gegners und stach mit gefletschten Zähnen auf ihn ein. Der andere schrie auf, sein Messer fiel klirrend zu Boden. Er hielt sich den Arm, und Blut strömte ihm über die Finger, von denen einer weggehackt worden war.
    »Primitiv und barbarisch«, sagte Claire glockenhell und geringschätzig. »Jeder der Männer des Prinzen hätte es in der halben Zeit geschafft und mit mehr Finesse. Wahrscheinlich

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