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Stürmische Begegnung

Stürmische Begegnung

Titel: Stürmische Begegnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
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ihn. Ein ganz kleiner Sekretär mit einer Schreibklappe, ich glaube, man nennt so etwas einen Davenport. Und eine Jadefigur, die mein Vater mir aus China mitgebracht hatte, und ein venezianischer Spiegel. Sie ge hörten alle mir. Andererseits bin ich so oft umgezogen, daß sie absolut lästig gewesen wären.“ Sie sah mich an und runzelte ein wenig die Stirn. „Aber du würdest sie vielleicht nicht lästig fin den. Hast du überhaupt schon Möbel in deiner Wohnung?“
    „Nein. Nur eine Liege und einen alten Küchentisch.“
    „Dann könnte ich versuchen, sie irgendwie für dich zu si chern. Sie müssen noch in Boscarva sein, wenn es nicht verkauft oder abgebrannt ist. Möchtest du, daß ich es versuche?“
    „Das wäre wunderbar. Nicht nur, weil ich Möbel brauche, auch weil sie dir gehört haben.“
    „O Schatz, wie lieb, es ist wirklich zu komisch, wie du dich nach irgendwelchen Wurzeln sehnst, wo ich es nie ertragen konnte, welche zu haben. Ich fand immer, sie würden mich an einem Ort festhalten und anbinden. Und zu einer Gefangenen machen.“
    „Und ich finde, ich hätte dann etwas, wozu ich gehöre.“
    Sie lächelte. „Du gehörst zu mir.“
    Wir redeten bis in die frühen Morgenstunden. Gegen Mitter nacht bat sie mich, den Wasserkrug zu füllen. Ich ging in die Küche, und erst da wurde mir bewußt, daß Otto wahrscheinlich taktvoll zu Bett gegangen war, ohne gute Nacht zu sagen, damit wir allein sein konnten. Als sie dann endlich müde wurde und allmählich erschöpft wirkte, sagte ich, ich sei auch müde – was stimmte. Ich stand auf, reckte mich, um meine vom Sitzen ver spannten Muskeln zu lockern, und legte einige Scheite nach. Dann nahm ich ihr zweites Kopfkissen fort, so daß sie flach lag, so, wie sie schlafen würde. Die Seidenstola war hinunterge rutscht, und ich hob sie auf, faltete sie zusammen und legte sie auf einen Stuhl. Dann beugte ich mich zu ihr hinunter, gab ihr einen Kuß, knipste die Lampe aus und ließ sie allein im Schein der Flammen. Als ich in der Tür war, sagte sie wie früher, als ich klein gewesen war: „Gute Nacht, mein Liebes. Auf Wiedersehen bis morgen.“
     
    Am nächsten Morgen war ich früh wach und genoß den Son nenschein, der durch die Ritzen der Fensterläden ins Zimmer drang. Ich stand auf, öffnete die Läden und sah den strahlenden Mittelmeermorgen. Durch die Fenstertür trat ich auf die mit Natursteinen belegte Terrasse, die an der ganzen Hauswand entlanglief, und blickte den Hang hinunter zum Meer, das gut einen Kilometer entfernt war. Über dem ockerfarbenen Land lag hier und dort ein rosaroter Schleier; die ersten zarten Blüten der Mandelbäume. Ich ging zurück in mein Zimmer, zog mich an und trat wieder hinaus. Ich ging über die Terrasse und ein paar Stufen hinunter in den symmetrisch angelegten Garten, der von einer niedrigen Mauer umgeben war. Ich kletterte über die Mauer und ging auf einer großen Wiese mit Mandelbäumen zum Meer hinunter. Auf halbem Wege blieb ich stehen und sah hinauf zu den zarten Blüten und dem hellblauen, wolkenlosen Himmel darüber.
    Ich wußte, daß jede Blüte eine kostbare Frucht hervorbringen würde, die roh gepflückt werden würde, wenn die Zeit kam, aber ich konnte der Versuchung nicht widerstehen, einen kleinen Zweig zu brechen, und als ich eine Stunde später vom Meer zu rückkam und den Hügel wieder hinaufging, hatte ich ihn immer noch in der Hand.
    Der Hang war steiler, als mir vorhin bewußt gewesen war. Als ich kurz stehenblieb, um Atem zu holen, bemerkte ich, daß Otto Pedersen oben auf der Terrasse stand und mich beobachtete. Wir standen beide einen Moment ganz still, dann kam er die Stufen herunter durch den Garten, um mir entgegenzugehen.
    Ich ging weiter, langsamer als eben. Ich hatte den Blütenzweig immer noch in der Hand. Da wußte ich es. Ich wußte es, ehe er so nahe war, daß ich den Ausdruck in seinem Gesicht sehen konnte, aber ich ging weiter, über die Wiese mit den Mandelbäumen, und wir trafen uns an der niedrigen Feldsteinmauer.
    Er sagte meinen Namen. Mehr nicht.
    Ich nickte. „Ich weiß. Sie brauchen es mir nicht zu sagen.“
    „Sie ist heute nacht gestorben. Als Maria hineinging, um sie zu wecken… Es war vorbei. Es war so friedlich.“
    Mir wurde bewußt, daß wir nicht viel taten, um einander zu trösten. Vielleicht war das nicht notwendig. Er streckte die Hand aus, um mir über die Mauer zu helfen, und behielt meine Hand in seiner, als wir durch den Garten zum Haus gingen.
    Sie

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