Stürmische Begegnung
doch kein Mausoleum.“
„Ich hab noch nie viel für viktorianische Relikte übrigge habt.“
Ehe ich weiter protestieren konnte, kam Grenville. Wir hör ten seine Schritte auf der Treppe, dann sprach er mit Pettifer, und sie kamen beide durch die Diele. Grenvilles Stock klopfte laut und deutlich auf die gebohnerten Dielenbretter.
Eliot verzog das Gesicht, ging zur Tür und öffnete sie. Gren ville trat ein. Er wirkte dabei ein bißchen wie der Bug eines gro ßen Schiffes, dem nichts etwas anhaben kann.
„Schon gut, Pettifer, ich komm jetzt allein zurecht.“ Ich war aufgestanden, um ihm den Sessel heranzuziehen, in dem er am vorigen Abend gesessen hatte, aber diese Geste schien ihn eher nervös zu machen. Er war offenbar nicht in bester Stimmung.
„Um Gottes willen, Mädchen, machen Sie nicht so einen Aufstand. Glauben Sie, ich will im Feuer sitzen? Es ist mir da viel zu heiß.“
Ich schob den Sessel zurück, und er ließ sich hineinsinken.
„Wie wär’s mit einem Drink?“ fragte Eliot ihn.
„Ich nehme einen Whisky.“
Eliot sah ihn verblüfft an. „Whisky?“
„Ja, Whisky. Ich weiß, was dieser Idiot von Arzt gesagt hat, aber heute abend trinke ich einen Whisky!“
Eliot entgegnete nichts, nickte nur geduldig und ging zum Sideboard, um einzuschenken. Während er es tat, drehte Grenville sich halb zu ihm und sagte: „Eliot, hast du den Davenport-Sekretär irgendwo gesehen?“
Hätte ich nur nie danach gefragt! „Bitte, Grenville, fangen Sie nicht schon wieder damit an…“
„Was soll das heißen, schon wieder? Wir müssen das ver dammte Ding finden. Ich hab Pettifer eben gesagt, er soll ihn so lange suchen, bis er ihn gefunden hat.“
Eliot kam mit einem Glas Whisky zurück. Er zog einen Bei stelltisch heran und stellte das Glas in Grenvilles Reichweite.
„Was für einen Sekretär meinst du eigentlich?“ fragte er.
„Dieser kleine Sekretär, der immer in einem der Schlafzimmer stand. Er hat Lisa gehört, und jetzt gehört er Rebecca. Sie möchte ihn haben. Sie hat eine Wohnung in London, sie braucht ihn da für. Und Pettifer kann ihn nirgends finden, er sagt, er hat das ganze Haus abgesucht, aber er kann ihn nicht finden. Du hast ihn nicht vielleicht irgendwo gesehen?“
„Ich hab ihn nie im Leben gesehen. Ich weiß nicht mal, was ein Davenport-Sekretär ist.“
„Ein kleiner Schreibsekretär, an der Seite sind Schubladen, und die Schreibtischplatte ist mit Leder bezogen. Ich glaube, sie sind heutzutage ziemlich selten und eine ganze Menge Geld wert.“
„Wahrscheinlich hat Pettifer ihn irgendwohin gestellt und dann vergessen.“
„Pettifer vergißt nicht so leicht etwas.“
„Nun, dann hat Mrs. Pettifer vielleicht was damit gemacht und vergessen, es ihm zu sagen.“
„Sie hätte es bestimmt nicht vergessen.“
In diesem Augenblick kam Mollie ins Zimmer, mit einem entschlossenen Lächeln, als hätte sie in der Diele Grenvilles zornige Stimme gehört und sich beeilt, um Öl auf die Wogen zu gießen.
„Hallo, meine Lieben, ich fürchte, ich hab mich ein bißchen verspätet. Ich mußte noch rasch in die Küche und etwas mit diesem köstlichen Heilbutt machen, den Rebecca heute morgen für uns besorgt hat. Eliot…“ Sie gab ihm einen Kuß, offenbar hatte sie ihn den ganzen Tag nicht gesehen. „Und Grenville.“ Sie beugte sich nach unten, um ihm ebenfalls einen Kuß zu geben. „Du siehst ausgeruhter aus als gestern.“ Ehe er ihr widersprechen konnte, lächelte sie mir zu. „Hatten Sie einen schönen Nachmittag, Rebecca?“
„Ja, danke. Wie war es beim Bridge?“
„Nicht übel. Ich habe zwanzig Pence gewonnen. Eliot, sei bitte ein Schatz und bring mir auch etwas zu trinken. Andrea kommt sofort. Es kann nur noch einen Moment dauern…“ Dann fiel ihr nichts mehr ein, um ihren Schwiegervater abzulen ken, und Grenville eröffnete erneut das Feuer. „Wir haben etwas verloren“, verkündete er.
„Was hast du verloren? Wieder deine Manschettenknöpfe?“
„Nein. Einen Davenport-Sekretär.“
Es wurde allmählich absurd.
„Du hast einen Davenport-Sekretär verloren?“
Grenville spulte die ganze Geschichte noch einmal ab. Als klar wurde, daß ich diejenige gewesen war, die das Problem verur sacht hatte, sah Mollie mich vorwurfsvoll an, als wollte sie sagen, dies sei ein schlechter Dank für ihre Gastfreundschaft. Ich war geneigt, ihr zuzustimmen.
„Aber er muß irgendwo sein.“ Sie nahm das Glas, das Eliot ihr reichte, zog sich einen Schemel heran und
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