Stürmisches Herz
hatte, und sie wußte auch, daß er nicht der Mensch war, für den sie ihn gehalten hatte. Sie konnte immer noch nicht begreifen, wie er so schrecklich rachsüchtig sein konnte. Doch obwohl ihr das alles bekannt war, und obwohl sie eigentlich froh darüber sein sollte, daß sie ihn nie wiedersehen würde, kam sie sich verraten und verlassen vor, und das tat schrecklich weh.
Maggie setzte Courtney auf ein Sofa, ein wertvolles Chippendale-Möbel, das Courtney später bewunderte, und reichte ihr ein spitzenbesetztes Taschentuch. Sie verließ ihren jungen Gast kurz, um die Lampen im Wohnzimmer anzuzünden, kehrte dann zurück und schloß Courtney in die Arme, bis diese sich allmählich beruhigte.
»Na also.« Maggie ersetzte das nasse Taschentuch durch ein trockenes. »Ich habe immer schon gesagt, daß es nichts Besseres für den Organismus gibt, als sich einmal richtig auszuweinen. Aber das kann man Männern natürlich nicht erklären, und auf der Farm gibt es leider nur Männer. Es tut so gut, zur Abwechslung einmal bei einer Frau Mutterstelle zu vertreten.«
»Entschuldigen Sie, daß ich mich so gehen ließ«, schnüffelte Courtney.
»Dafür müssen Sie sich nicht entschuldigen. Wenn man das Bedürfnis hat zu weinen, dann soll man es tun. Fühlen Sie sich jetzt besser?«
»Eigentlich nicht.«
Maggie lächelte und streichelte Courtneys Hand. »Lieben Sie ihn so sehr?«
»Nein«, antwortete Courtney entschieden, dann stöhnte sie: »Ich weiß es nicht. Ich habe ihn geliebt, aber wie kann ich ihn nach allem, was ich heute abend von ihm erfahren habe, weiterhin lieben? Er ist zu Grausamkeiten fähig –«
»Um Himmels willen, was hat er Ihnen angetan, Liebste?«
»Nicht mir. Er hat einen Mann aus Rache verstümmelt und getötet.«
»Und er hat es Ihnen erzählt?« Maggie war entsetzt.
»Mir war die Tatsache bereits bekannt. Chandos hat nur zugegeben, daß er derjenige war, der es getan hat. Und jetzt ist er unterwegs, um einen weiteren Mann zu töten, wahrscheinlich auf die gleiche entsetzliche Art. Vielleicht verdienen diese Männer dieses Schicksal, das kann ich nicht beurteilen, aber daß er fähig ist, so grausam zu sein –«
»Männer tun manchmal entsetzliche Dinge. Gott allein weiß, warum. Doch die meisten von ihnen haben wenigstens einen Grund für ihre Handlungen. Das wird ja auch auf Ihren jungen Mann zutreffen.«
»Ich bin mir dessen nicht sicher.« Courtney schilderte Maggie in kurzen Worten den Komantschenüberfall. »Ich weiß, daß er Freunde unter den Komantschen hat«, schloß sie. »Vielleicht hat er sogar bei ihnen gelebt. Doch ist das ein ausreichender Grund für seine Gewalttätigkeit?«
»Vielleicht hatte er eine Frau bei den Komantschen. Es gibt viele Weiße, die Indianerinnen heiraten. Und wenn sie vergewaltigt wurde, bevor man sie getötet hat, wäre dies eine Erklärung für die Verstümmelungen.«
Courtney seufzte. Sie hatte den Gedanken an eine indianische Frau von sich gewiesen, aber Maggie konnte damit recht haben. Es wäre jedenfalls eine Erklärung dafür, warum Chandos die Indianer so gut kannte.
»Was ich denke, spielt ohnedies keine Rolle, weil ich Chandos nie wiedersehen werde.«
»Und darüber sind Sie sehr unglücklich, leugnen Sie es nicht. Jetzt muß ich allerdings zugeben, daß ich sehr gern wissen möchte, wer dieser junge Mann eigentlich ist. Könnten Sie ihn mir beschreiben?«
Courtney sah Maggie nicht an, als sie antwortete: »Chandos ist ein Revolvermann, und zwar ein sehr guter. Das war einer der Gründe, warum ich mich bei ihm sicher gefühlt habe. Er ist groß und dunkel und sieht sehr gut aus. Er hat schwarze Haare und blaue Augen.« Als Maggie schwieg, fuhr Courtney fort: »Er ist schweigsam und macht ungern große Worte. Es ist genauso leicht, einen Zahn zu ziehen, wie Chandos eine Information zu entlocken.«
Maggie seufzte. »Ihre Beschreibung paßt auf mindestens ein Dutzend Männer, die sich kürzere oder längere Zeit auf dieser Ranch aufgehalten haben.«
»Ich wüßte nicht, was ich Ihnen sonst noch erzählen könnte. Ach ja, Sägezahn hat erwähnt, daß Chandos einen indianischen Namen benützt hat, als er hier war.«
»Wir haben nur zwei junge Männer mit indianischen Namen hier gehabt. Einer von ihnen war ein Halbblut, und er hat auch blaue Augen gehabt«, erinnerte sich Maggie.
»Man könnte Chandos für ein Halbblut halten, obwohl er behauptet, daß er keines ist.«
»Wenn er keines ist, dann –« Maggie unterbrach sich. »Warum hat er
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