Stumme Zeugen
Schweines und roch den Gestank aus seiner Schnauze.
Ein Lichtstrahl aus dem Haus fiel durch den Zaun auf seinen Oberschenkel. Als er sich hochrappelte, rutschte das Handy aus der Brusttasche seines Hemdes, prallte auf
sein Knie und landete zwei Schritte vor ihm in dem Lichtfleck. Als er es aufheben wollte, öffnete sich die Tür von Swanns Haus, und drei Männer traten auf die Veranda heraus. Hearne erstarrte, als er Singer, Swann und Gonzales erkannte. War es möglich, dass sie ihn sahen?
Er bekam kaum Luft und blickte von dem Handy zu den Männern auf der Veranda. Wenn er das Telefon in dem Licht sah, dann sahen sie es auch. Sie schauten in seine Richtung, aber keiner hatte eine Waffe in der Hand.
Singer wandte sich Swann zu, sagte etwas und zeigte in seine Richtung. In diesem Moment begriff er, dass die Männer nicht zu ihm herüberschauten, sondern die in Dunkelheit getauchte Straße hinabblickten. Als warteten sie auf jemanden. Seine Atmung normalisierte sich wieder.
Er trat weiter in den Wald zurück, ohne den Blick von Singer und Swann zu lösen, und hoffte, nicht auf einen trockenen Zweig zu treten oder erneut auszurutschen. Das Telefon musste er liegen lassen, ihm blieb keine andere Wahl.
Als er sich durch den finsteren Wald den Weg zu seinem Auto bahnte, musste er an die mit seiner Zustimmung eröffneten Konten denken, auf denen die Guthaben sehr schnell gewachsen waren, immer durch Bareinzahlungen, die stets knapp unter zehntausend Dollar gelegen hatten, um eine Benachrichtigung der Steuerbehörde zu vermeiden. Er hatte seinem Chefkassierer gesagt, er solle sich keine Gedanken machen, bei dem Geld handele es sich um Spenden aus Los Angeles für eine Stiftung, die wohltätigen Zwecken diene. Doch seit seinem ersten Treffen mit Lieutenant Singer und Tony Rodale war ihm bewusst gewesen, das etwas nicht
stimmen konnte. Eine Bareinzahlung von 9780 Dollar, in Zehnern und Zwanzigern, direkt nach der Eröffnung des Kontos? Gefolgt von zwei weiteren Bareinzahlungen von jeweils 9670 Dollar, gleich am nächsten und übernächsten Tag?
Jim Hearne war sich seiner Schuld bewusst. Indem er weggeschaut hatte, hatte er eine Tür geöffnet und die verhängnisvollen Ereignisse ins Rollen gebracht.
Er musste Jess Rawlins warnen, dessen Ranch nur ein paar Kilometer entfernt war. Dorthin würde er zuerst fahren.
Sonntag, 20.32 Uhr
Jess und Monica fuhren in Richtung Norden. Seit sie die Stadtgrenze von Kootenai Bay hinter sich gelassen hatten, regnete es nur noch sporadisch. Weil er sie zur Eile angetrieben hatte, hatte sie nur schnell eine Jacke aus dem Schrank gerissen und sonst nichts dabei. Die Winchester stand zwischen ihnen, mit der Mündung nach unten. Der Kolben war noch verschmiert mit Swanns Blut.
Mit wenigen, stockenden Worten weihte er sie ein. Erzählte ihr, wie er ihre Kinder in der Scheune entdeckt, wie sie sich verteidigt und ihm ihre Geschichte erzählt hatten. Wie die Dinge jetzt standen.
»Was werden wir tun?«, fragte sie. »Wie schaffen wir es, dass meine Kinder weiter in Sicherheit sind?«
»Ich weiß es nicht.«
Sie wirkte ruhig, schien ihm vom ersten Augenblick an nicht skeptisch gegenübergestanden, sondern ihm sofort vertraut zu haben. Er fragte sich, womit er das verdient hatte, da er ihr nie zuvor begegnet war. Während er fuhr, warf er ihr verstohlene Blicke zu, studierte ihr Gesicht im Profil. Sie war attraktiv, wenn auch im Augenblick völlig erschöpft. Ihr Gesicht schimmerte bläulich im Licht der vorbeiziehenden Straßenlaternen.
»Ich wusste, dass sie leben«, sagte sie leise. »Keine Ahnung, warum, aber ich wusste es.«
Es war ein gutes Gefühl, sie wieder mit ihren Kindern zusammenzubringen. Sie schien sich nach nichts mehr zu sehnen, als endlich wieder bei ihnen zu sein.
Er musste daran denken, was Karen über ihren schlechten Ruf gesagt hatte. Daran, wie Fiona Pritzle ihre Qualitäten als Mutter in Zweifel gezogen und einem Zeitungsreporter gesagt hatte: »… ich hätte es für völlig ausgeschlossen gehalten, dass eine Mutter ihre Aufsichtspflicht so vernachlässigt und ihre Kinder allein umherirren lässt.«
Man weiß, was man von ihrem Geschwätz zu halten hat, dachte Jess. Er wusste nichts über die Frau auf dem Sitz neben ihm. Nur, dass sie bei ihren Kindern sein wollte. Der Rest spielte keine Rolle.
»Auch wenn wir uns gerade erst kennengelernt haben, ich weiß einiges über Sie«, sagte Monica. »Ich habe Sie immer für jemanden gehalten, der die guten, alten
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