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Stumme Zeugen

Titel: Stumme Zeugen Kostenlos Bücher Online Lesen
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ganz so, als hätte er das Ruder in der Hand. Fotos der Taylor-Kinder wurden eingeblendet, zusammen mit den Nummern von Hotlines. Carey erklärte, er habe auf ein Team von ehemaligen Polizisten zurückgreifen können, die
in Großstädten gearbeitet hätten und ihm bei den Ermittlungen ihr Wissen zur Verfügung stellen würden. An seiner Vorstellung gab es nichts auszusetzen. Hearne fragte sich, wer ihn auf den Auftritt vorbereitet hatte.
    Die Zusammensetzung der Gäste an diesem Abend war interessant, auch wenn sie ihm allmählich schon vertraut war. Drei Viertel von ihnen waren erst in den letzten fünf Jahren nach Kootenai Bay gezogen, das verbleibende Viertel stellte in verschiedenen Berufen tätige Einheimische. Es war bemerkenswert, wie sehr die beiden Gruppen, von wenigen Einzelfällen abgesehen, für sich blieben. Auch die Reaktionen auf das neue Sport- und Erholungszentrum fielen unterschiedlich aus. Die Einheimischen waren so stolz, dass ihnen fast die Worte fehlten. Ihre Bemerkungen waren ehrfürchtig, als könnten sie kaum glauben, was da in ihrer Stadt zustande gebracht worden war. Die neu Zugezogenen andererseits waren zwar auch glücklich über die neue Einrichtung, jedoch auf andere Weise - als hätten sie endlich etwas bekommen, das ihnen zustand und an das sie vor dem Umzug gewöhnt waren. Als hätten sie einen weiteren Schritt auf dem Weg getan, die altmodischen Hinterwäldler ins einundzwanzigste Jahrhundert zu katapultieren.
    Aber Hearne hatte keine Lust, sich unter die Gäste zu mischen, weder unter die Einheimischen noch unter die neuen Mitbürger. Als Banker und einer der Initiatoren des Projekts war er eine Art Gastgeber, und damit hatte er eine Entschuldigung, jeden schnell stehen zu lassen, ganz so, als hätte er reichlich dringliche Verpflichtungen zu erfüllen. Als alteingesessener Einwohner der Stadt und Bankdirektor verfügte er über jede Menge Insiderinformationen. Seine
Vertrautheit mit den Bürgern und den Kunden war ein großer Pluspunkt für die Bank und einer der Gründe, warum er bei jedem Wechsel des Eigentümers des Geldinstituts befördert worden war. Oft sah er sich als eine Art Bindeglied zwischen dem Althergebrachten und dem Neuen. Sein Leben war ein Balanceakt zwischen der Anhänglichkeit an seine Herkunft und seinem neuen Reichtum, seinem Status, seiner Macht. Aber manchmal, etwa jetzt, glaubte er zu viel zu wissen.
    Tatsache war, dass er an kaum etwas anderes als die verschwundenen Taylor-Kinder und seine Treffen mit Jess Rawlins und Eduardo Villatoro denken konnte. Alle drei Begebenheiten verstörten ihn, aber auf unterschiedliche Weise. Es war ähnlich wie mit den Maulwürfen beim Spiel Whack-A-Mole - kaum hatte man einen mit dem Holzhammer erwischt und zum Verschwinden gebracht, steckte schon der nächste den Kopf durch das Loch. So auch hier. Wenn er die Gedanken an ein Problem unterdrückte, tauchten gleich die an das nächste auf, ganz so, als wären die drei Themenkomplexe auf eine unerklärliche Weise miteinander verbunden.
    Er trat an eine Bar, die in einem Alkoven in der Schwimmhalle untergebracht war, und bestellte den fünften Scotch. Während er ihn trank, blickte er auf das Wasser, und die schwarzen Bahnen auf dem Grund des Beckens verschwammen stärker als erwartet. Er musste es langsamer angehen lassen mit dem Trinken, hatte aber keine Lust dazu.
    »Stimmt was nicht mit dir?«
    Seine Frau, Laura. Er hatte sie nicht bemerkt.
    »Was meinst du?«

    »Ich habe dich beobachtet«, sagte sie. »Du rennst kopflos durch die Gegend und hältst nur ab und zu an einer Bar an. Glaub nicht, ich hätte es nicht gesehen.«
    Er spürte, wie er errötete. Erwischt.
    Laura war eine offene, gut aussehende Frau mit markanten Gesichtszügen und Augen, denen nichts entging. Ihre Haut war stark gebräunt, weil sie so viel draußen war, meistens auf dem Rücken eines Pferdes oder bei der Arbeit in ihren Stallungen. Sie war verrückt nach Pferden und hatte früher selbst bei Rodeos Barrel Races geritten. Ihre Familie wohnte seit drei Generationen in Idaho, und trotz ihres gesellschaftlichen Aufstiegs zog sie die Kleidung an, in der sie sich wohlfühlte - Westernhemden und Jeans, nur manchmal einen engen Stufenrock und Stiefel, so wie jetzt. Die Einheimischen hielten sie für eine der Ihren, und auch Hearne sah sie so. Nur wenn sie mit den Zugezogenen zusammenstand, die modische Klamotten und Trendfrisuren spazieren führten, fiel ihm auf, wie anders sie aussah. Er schätzte ihren

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