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Stumme Zeugen

Titel: Stumme Zeugen Kostenlos Bücher Online Lesen
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Sinn für die Tradition und bewunderte, wie sie mit sich selbst im Einklang stand, aber manchmal wünschte er sich schon, sie würde sich etwas eleganter anziehen. Etwa heute Abend. Fiel es ihr selbst nicht auf? Sein Gedanke beschämte ihn etwas.
    »Alles in Ordnung? Du wirktest gerade etwas abwesend«, sagte Laura leicht schelmisch. »Wo drückt der Schuh?«
    Fast wäre der Vergleich mit dem Whack-A-Mole-Spiel aus ihm herausgeplatzt, aber er konnte sich gerade noch bremsen. Wenn er jetzt redete, würde er Türen öffnen, die er lieber geschlossen halten wollte. »Ich muss immer an die Taylor-Kinder denken«, sagte er. Das stimmte zwar, aber
es ging nicht nur um die Kinder. »Solche Dinge, hier bei uns.«
    »Früher hat es so etwas nicht gegeben.« Sie zeigte auf die Gäste. »Vor der Zuwanderung deiner neuen Freunde.«
    Er lächelte säuerlich. Das war ein strittiges Thema zwischen ihnen. Laura wäre es am liebsten gewesen, wenn alles so geblieben wäre, wie es in ihrer Jugend gewesen war. Nachbarschaftlich, überschaubar, ländlich.
    »Meinen ›neuen Freunden‹, wie du sie nennst, hast du zu einem guten Teil deine letzten drei Pferde und den neuen Stall zu verdanken.«
    »Ich weiß. Junge, bist du empfindlich heute Abend.«
    Er bereute seine Worte und wandte den Blick ab.
    »Du solltest es langsamer angehen lassen«, sagte sie mit einem Blick auf sein Glas. »Ich möchte nicht, dass du ins Schwimmbecken fällst, vor all deinen … Kunden.«
    »In Ordnung.«
    »Und noch etwas, Mr Jim Hearne. Versuch nicht, mich für dumm zu verkaufen.« Sie trat dicht an ihn heran und blickte ihm in die Augen. »Ich kenne dich. Wenn du trinkst, beunruhigen dich irgendwelche Probleme. Alkohol hilft nie, aber du trinkst trotzdem.«
    »Ich habe doch gerade gesagt …«
    »Die Taylors, ich weiß schon.«
    »Genau.«
    »Um welches Mitglied der Familie Taylor sorgst du dich denn am meisten? Um Annie und William oder um Monica?«
    Hearne spürte, wie ihm heiß wurde. Laura hatte Monica Taylor nie gemocht und einen Verdacht gegen sie gehegt.
Wann immer das Thema zur Sprache kam, fühlte sich Hearne in der Defensive. Dabei hatte er Laura mehr als einmal erklärt, Monica sehe in ihm einen väterlichen Freund, weil er mit ihrem Vater befreundet gewesen sei. Laura hatte nur die Augenbrauen gehoben und gefragt: »Das ist alles?« Und er hatte stammelnd geantwortet: »Natürlich. Du weißt, was passiert ist.«
    Als Jim Hearne noch Rodeos geritten war - erst im Team des College, später allein und mit der Rawlins Ranch als Sponsor -, war Ty Taylor, Monicas Vater, sein engster Freund und Reisepartner gewesen. Ty war ein attraktiver und rätselhafter Mann, ein erstklassiger Schauspieler, der Frauen magnetisch anzog. Dabei kümmerte es ihn wenig, dass er verheiratet war und eine kleine Tochter hatte. Und einer der Gründe, warum er sich mit Ty zusammengetan hatte, war eben jener, dass dieser stets von Frauen umgeben war. Als Hearne wegen einer Knieverletzung ein Jahr lang nicht an Rodeos teilnehmen konnte, kehrte er nach Hause zurück. Seine zuvor sporadische Beziehung zu Laura wurde enger, und sie heirateten. Ty flog zwischen zwei Rodeos in Salinas und Cheyenne nach Idaho, um an der Hochzeitsfeier teilzunehmen und eine Rede zu halten.
    Während er die Knieverletzung auskurierte, beendete Hearne sein Studium der Wirtschaftswissenschaften, wollte aber unbedingt wieder Rodeos reiten. Als er seinen Entschluss in die Tat umsetzte, fand das keineswegs Lauras Zustimmung, und sie war noch ungehaltener, als er sich erneut mit Ty zusammentat. Während er selbst Laura nicht betrog, scheiterte er in seinen Bemühungen, Ty ebenfalls zu ehelicher Treue anzuhalten. Der liebte Frauen nicht nur
als Einzelexemplare, sondern gleichsam als Gattung, und die Frauen liebten ihn. Wenn sie gemeinsam nach Hause zurückkehrten, war Hearne dabei, wenn die kleine Monica zu ihrem Vater wie zu einem Helden aufblickte, auch wenn den das nicht weiter kümmerte. Wahrscheinlich ist er an diesen Blick gewöhnt, hatte Hearne damals gedacht.
    Dann wurde die Lage ernst, als Ty bei der Calgary Stampede mit einem Fuß in seinem Steigbügel hängen blieb und sich bei dem Sturz den Hals brach. Hearne stand an seinem Bett im Krankenhaus, während sie auf Monica und deren Mutter warteten, und Ty packte seine Hand und bat ihn, sich um Monica zu kümmern. Seine Frau war ihm ziemlich egal, aber er sagte, er habe sich seiner Tochter gegenüber schlecht verhalten und sie hätte einen besseren

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