Stunde der Vergeltung (German Edition)
war sie verwirrt. Redete er von Val? Ja. Er hatte Val geschickt, um sie zu holen. Imre war die Geisel gewesen. Aber Imre war tot, darum hatten sie die Taktik geändert. Ja, das machte Sinn.
Erinnerung an ihre stürmische Romanze? Was sollte das bedeuten? Über die Fernsehbildschirme flackerten nun Bilder. Tam konnte wegen der Tränen und der Schweißtropfen in ihren Augen nichts erkennen. Das Licht auf beiden Monitoren war schummrig, und es schien als … diese ungestümen, rhythmischen Bewegungen … oh Gott, war das möglich? Ein Porno soll ihre Folterung untermalen? Tam empfand die pure, banale Absurdität dieser Idee als beleidigend, selbst im Angesicht ihrer grausamen Schmerzen und überwältigenden Angst.
Denk nicht darüber nach. Ihr Arm tat viel zu weh, um sich mit diesem Abschaum von Mann zu befassen. Sie war zu sehr damit beschäftigt, den bestmöglichen Moment für einen erweiterten Selbstmord abzupassen. Konzentriere dich .
»… nein, schau hin«!«, befahl Novak. »Erkennst du dich denn nicht? Pass auf, Tamara.«
Sie sich erkennen? Tam presste die heißen, brennenden Tränen aus ihren Augen und schaute wieder hin.
Sie schaute und schaute. Es war … oh Gott, nein. Das war unmöglich.
Es war ihr Zimmer in San Vito. Die wunderschöne Loggia mit den drei Bögen und dem Blick aufs Meer, das schummrige Licht der Morgendämmerung, der zartrosa Schimmer am Horizont. Und auf dem Bett, hinter den Wedeln irgendeiner verschwommenen Topfpflanze, sie und Val. Sie saß rittlings auf ihm und bewegte sich lustvoll stöhnend mit zurückgeworfenem Kopf.
Wie konnte das sein? Wie hatten sie sie so kurz nach ihrer Ankunft gefunden? Wann hatten sie die Kameras installiert? Als sie und Val beim Abendessen waren?
Tam blickte zu dem anderen Bildschirm. Es kostete sie mehr als eine halbe Minute schockierten Blinzelns, ehe sich der Wirrwarr erotischer Bilder zu etwas Greifbarem manifestierte – was hauptsächlich daran lag, dass sie die Information nicht verarbeiten wollte, weil ihr Verstand sich zu heftig dagegen wehrte.
Tam sah sich selbst, wie sie gegen die Tür der winzigen Personalküche des Huxley gedrängt wurde. Wimmernd wie eine rollige Katze ließ sie sich nach allen Regeln der Kunst von Val Janos durchvögeln. Die Kamera blickte gottgleich von oben auf sie herab und verurteilte ihre Dummheit. Der Fokus lag auf Tams Gesicht, das vor lustvoller Erregung gerötet war – und von der Droge, wie sie sich erinnerte. Sie war von dieser mysteriösen Droge in Kombination mit dem Chianti völlig high gewesen.
Die Erkenntnis traf sie wie ein schmerzhafter Hieb mit einem Eispickel. Schaudernd zuckte sie zusammen, dann wappnete sie sich und zwang sich, die Sache logisch zu durchdenken. Schritt für Schritt.
Unmöglich konnten sie dort mit Janos gerechnet und ohne sein Wissen eine Kamera versteckt haben, um ihn zu beobachten. Auf keinen Fall hatten sie Tam mit Nicks und Beccas Hochzeit in Verbindung bringen können, bevor sie tatsächlich dort aufgetaucht war. Der Einzige, der die Kamera dort platziert haben konnte, war Val selbst.
Er hatte den Ort gewählt, ihn präpariert, Tam in einen sexhungrigen Drogenwahn versetzt, sie in die Küche gezerrt und es dort mit ihr getrieben. Als Unterhaltung für die Bestie. Das war die Wahrheit. Es gab keine andere Erklärung.
Novak folgte ihren Gedankengängen Zug um Zug, seine Augen fiebrig vor Begierde. »Wie ich sehe, begreifst du nun. Bist du schockiert? Janos tat, wofür ich ihn bezahlte. Er hat erreicht, dass du dich in ihn verliebst. Es ist seine berufliche Spezialität. Ich unterhalte geschäftliche Beziehungen zu PSS und habe ihre Dienste schon früher in Anspruch genommen. Man sagte mir, dass Val Janos ihr bester Mann sei, wenn es darum geht, sich das Vertrauen der Zielperson mithilfe von Sex zu erschleichen. Was für ein gelungener Coup für seine Vita. Er kann jede Frau von seiner unsterblichen Liebe für sie überzeugen, selbst ein kaltherziges Biest wie dich.«
»Nein«, wisperte sie.
»Oh, doch. Dabei sagt man dir nach, furchtbar misstrauisch und hochintelligent zu sein. Aber du bist ihm verfallen, mit weit gespreizten Beinen. Wie durch ein Wunder.« Er stieß ein schnaufendes Prusten aus. Blut spritzte auf seine Lippen und sein Kinn.
Tam hätte nicht gedacht, dass sie sich noch entsetzlicher fühlen könnte, doch das tat sie. Man hatte ihr eine weitere Sache entrissen und noch eine blutende Wunde zugefügt. Und sie fühlte sich so einsam, einsamer als je zuvor.
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