Sturm auf mein Herz
heran.
Doch ein Teil von ihr wollte näher und immer näher kommen, so nahe, wie eine Frau einem Mann nur sein konnte.
Abrupt trat sie zurück und kramte in ihrer Handtasche nach einer Bürste. Als sie wieder aufblickte, sah sie, dass er ihren Helm neben dem seinen ans Lenkrad hängte.
Einen Moment lang konnte sie sein Motorrad bloß anstarren. Unglaublich, wie sehr sich die schmucklose schwarze Maschine von Brians silbernem Mercedes 450 und JoLynns knallrotem Ferrari abhob. Kein Chromgeblitze, kein überflüssiges Testosterongeprotze. Große, grobe Reifen, mit de-nen man sowohl auf der Straße als auch in schwierigem Gelände prima zurechtkam. Eine Outlaw-Maschine. So wie ihr Besitzer. Kraft, Ausdauer und Geschwindigkeit, kein überflüssiger Schnickschnack.
Cain wandte sich von dem Motorrad ab und streckte sich. Dann musterte er neugierig die Umgebung. Er kam fast nie nach Beverly Hills. Überteuerte Waren und Luxusweibchen waren nicht nach seinem Geschmack.
Er ließ den Blick von der eleganten Ladenfront von The Gilded Lily zu der ebenso eleganten Frau an seiner Seite wandern, deren Haar so dunkel und seidig war wie Bitterschokolade. Er beneidete die Bürste, die durch die glänzende Pracht glitt.
»Hier vergoldest du also meine Lilie?«, erkundigte er sich.
»Ein Bike wie das hier braucht keine Vergoldung. Es ist das, was es ist. Perfekt.«
Einen Atemzug lang blieb ihm die Sprache weg. Als er sich wieder gefasst hatte, überraschten seine Worte nicht nur sie, sondern auch ihn selbst.
»Ich habe lange nach dir gesucht.«
»Du hättest mal in den Architectural Digest schauen sollen«, sagte sie und steckte die Bürste wieder weg. »Dort inseriere ich regelmäßig.«
Er lachte, erfreut über ihre Schlagfertigkeit. Sein Instinkt sagte ihm, dass ihr sein unverhohlenes männliches Interesse Unbehagen verursachte. Sein Instinkt sagte ihm aber auch, dass an ihrem Misstrauen nichts Persönliches war. Tatsächlich vermutete er, dass er ihr in der kurzen Zeit, in der sie sich kannten, schon weit näher gekommen war als jeder andere Mann seit langer Zeit.
Was ist dir passiert, Shelley Wilde?, fragte er sich. Wer hat dich gelehrt, dir selbst und den Männern zu misstrauen?
Aber diese Fragen behielt er für sich. Er fühlte deutlich, dass er ohnehin schon sehr weit gegangen war. Wenn er noch weiter drängte, würde sie ihm einfach ein professionelles Lächeln schenken und ihm durch die Finger gleiten wie Sonnenschein. Und was danach blieb, war Dunkelheit.
Er folgte ihr zur Glasfront des Ladens, der mehr wie eine Kunstgalerie aussah als ein Geschäftshaus. Sie steckte den Schlüssel ins Schloss und fummelte grummelnd an dem störrischen Ding herum.
»Daran hätte ich eher denken sollen«, sagte er.
»Woran?«
»Die Anzeigen im Architectural Digest durchzusehen. Dann hätte es mir hier in L.A. sicher viel besser gefallen.«
Sie konzentrierte sich erneut auf das Schloss.
Er musterte ihre sauberen, unlackierten Fingernägel und dann das elektronische Einbruchssystem, das den Laden schützte. Hauchfeine Drähte umrandeten die großen Fenster, und das Glas war dick genug, um auch harten Hammerschlägen standzuhalten. In eleganter Schrift prangte der Name des Ladens. Darunter eine diskrete Warnung: Geöffnet nur nach Vereinbarung.
Das Schloss gab mit einem hörbaren Klicken nach.
Er folgte Shelleys sanftem Hüftschwung ins Ladeninnere. Viele ganz unterschiedliche Kunstobjekte waren dort fast wie in einer privaten Wohnung ausgestellt. Auch die Möblierung ließ den Besucher eher an ein Privathaus als an ein Geschäft denken. Gemütliche kleine Sitzgruppen, die zum Ausruhen und Entspannen einluden.
Als sie sich zu ihm umwandte, um etwas zu sagen, sah sie, dass er den Laden mit derselben Intensität musterte wie zuvor ihr Zuhause. Wortlos schlenderte er von einem Objekt zum anderen, blieb einmal vor einer Schnitzfigur aus Speckstein, ein anderes Mal vor einem Satellitenfoto von der Sahara stehen.
Das Foto zeigte die Sahara in ihrer Essenz, eine Reinheit von Form, Licht und Schatten, die beinahe surreal wirkte. Er studierte es eine lange Zeit.
Andere Schauobjekte erhielten nicht mehr als einen flüchtigen Blick von ihm. Minimalistische Kunst interessierte ihn ebenso wenig wie Avantgarde-Stücke aus verschiedenen Materialien oder sich streitenden Farben.
Gerade als sie entschied, dass er abstrakte Kunst nicht mochte, blieb er vor einer großen, abstrakten Holzskulptur stehen. Die Oberfläche des Holzes war extrem
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