Sturm auf mein Herz
doch, nicht wahr?«
»Also das ist es. Du bist sitzen gelassen worden.«
»Wie taktvoll du doch bist.«
»Hat er?«
»Hat er was?«
»Hat dein Mann dich sitzen gelassen?«
»Konnte gar nicht schnell genug wegkommen. Zufrieden?«
»Nein.«
Cains Gesichtsausdruck veränderte sich, als er Shelleys angespannte, zornige Miene und ihre sanfte, feminin gerundete Figur betrachtete, eine lebende Skulptur, die einen geradezu herausforderte, sie zu streicheln.
»Ich bin überhaupt nicht zufrieden«, sagte er.
»Dann gehe ich mal besser JoLynn suchen. Ich bin sicher, sie kommt mit einer Geld-Zurück-Garantie.«
Lange Finger umschlossen Shelleys Handgelenk wie Handschellen. »JoLynn will ich nicht. Ich will dich.«
»Mich kannst du dir nicht leisten«, entgegnete sie schroff.
»Nenn mir den Preis.«
Sie hörte den kalten, unpersönlichen Ton in seiner Stimme, und heiße Wut wallte in ihr auf. Genau wie ihr Ex-Mann.
Auch er hatte sich in ihr getäuscht.
»Liebe, nicht Geld, Mr. Remington.«
Etwas Verwundbares flackerte für einen Moment über sein Gesicht, dann verwandelte sich seine Miene wieder in eine höfliche Maske.
»Liebe ist ein sehr flüchtiges Gut«, sagte er.
»Das ist es also«, meinte sie spöttisch, seine Worte von vorhin imitierend. »Du hast eine Frau geliebt, und sie hat dich sitzen gelassen.«
»Wie taktvoll.«
»Stets zu Diensten.«
Sie schielte seine große Pranke an, die nach wie vor ihr Handgelenk umklammert hielt.
»Du entschuldigst mich«, flötete sie. »Ich habe noch eine Menge zu tun.«
»Ich auch. Dein Mann hat dir wohl ganz schön wehgetan, stimmt’s?«
Während er dies sagte, begann er sanft mit dem Daumen die Innenseite ihres Handgelenks zu streicheln.
Seine Worte und der sanft streichelnde Daumen ließen ihren Zorn verpuffen, sodass nur noch der darunter liegende Schmerz übrig blieb. Sie schluckte und hätte am liebsten das Gesicht von diesen allzu wissenden Augen abgewandt. Ihr Stolz ließ das nicht zu.
»Mein Ex-Mann hat mir gezeigt, was es kostet, seine Träume mit einem anderen zu teilen.«
»Desillusionierung?«
»War das so bei dir?«
»Ja, man könnte sagen, dass ich desillusioniert worden bin.« Cains Stimme klang milde, doch der Ton darunter war blankes Eis. »Man könnte außerdem sagen, dass ich das Weibsstück am liebsten abgemurkst hätte.«
Shelley riss die Augen auf. Sie hatte das deutliche Gefühl, dass es besser war, nicht den Zorn dieses Mannes zu erregen.
»Hast du ... hast du ihr was getan?«, fragte sie unwillkürlich.
»Nein. In Wirklichkeit war ich vor allem wütend auf mich, weniger auf sie. Sie war die Wut gar nicht wert.«
Shelley lag noch eine weitere Frage auf der Zunge, aber sie äußerte sie nicht. Unter seinem Zorn hatte sie einen alten
Schmerz zu spüren vermeint, der sie nur zu sehr an ihren eigenen erinnerte.
»Mein Mann auch nicht«, gab sie zu.
Sie berührte Cains Arm, dort, wo sonnengebleichte Härchen auf tief gebräunter Haut schimmerten.
»Es tut mir Leid«, sagte sie schlicht. »Ich hatte kein Recht, so neugierig zu sein.«
Er schenkte ihr ein trockenes Lächeln.
»Ich hab’s nicht besser verdient. Ich kratze an deinem zivilisierten Lack herum, seit ich dein zynisches kleines Lächeln gesehen habe, mit dem du zuerst JoLynns Ausschnitt und dann mich angeschaut hast.«
»War es so offensichtlich?«
»Nur für jemanden, der dich ganz genau anschaut.«
»So wie du jetzt?«
Er lächelte, und ihr Herz setzte einen Schlag lang aus. Sein Daumen liebkoste ihren Puls mit langsamen, sanften, zärtlichen Kreisen.
»Ja, so wie ich jetzt«, bestätigte er.
»Wieso?«, fragte sie neugierig. »Ich bin nicht der Typ Frau, weswegen die Männer reihenweise umfallen.«
»Wie bei JoLynn?«
»Ja. Sie ist einfach umwerfend.«
»Umwerfend langweilig.«
»Aber -«
»Als ich sah, wie du die Schlange genommen und behutsam wie ein Schoßhündchen gehalten hast, da wollte ich dich besser kennen lernen. Ich wollte wissen, wie eine Frau, die sich von Berufs wegen mit den feinsten Produkten der Zivilisation umgibt, gelernt hat, mit Schlangen und einsamen Kindern umzugehen.«
Shelley wusste nicht, was sie sagen sollte. Und selbst wenn sie es gewusst hätte, hätte sie kein Wort herausgebracht. Die
Gefühle, die Cains streichelnder Daumen bei ihr auslösten, raubten ihr die Sprache.
Sein Lächeln wurde breiter und noch sanfter.
»Und dann bist du, ohne eine Miene zu verziehen, in deinem feinen Hosenanzug und deinen hochhackigen Pumps
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