Sturm der Leidenschaft
bemerkte, daß ein merkwürdiger Ausdruck auf dem Gesicht von Lady Gilbert erschien, fast ehrfürchtig. »Und wenn sie die Saint-Allermain ist, dann muß er .. . Mein Gott, er ist es!«
Anne sah ihre Nichte scharf an, aber Whitney beobachtete gerade, wie »Satan« seine Hand fast zärtlich auf den Rücken der blonden Frau legte und sie aus dem Haus geleitete. Sie dachte daran, daß diese Hände sie im Garten berührt hatten, und errötete vor empörter Scham.
»Warum fragst du?« erkundigte sich Tante Anne.
Whitney hätte sich lieber die Zunge abgebissen, als einzugestehen, daß sie töricht genug gewesen war, mit einem Mann in den Garten zu gehen, von dem sie nun sicher war, ihm nie zuvor begegnet zu sein. »Ich ... ich dachte, es wäre jemand, den ich kenne«, stammelte sie. »Aber ich habe mich geirrt«, fügte sie hinzu und nahm erleichtert zur Kenntnis, daß ihre Tante offenbar nicht die Absicht hatte, das Thema weiter zu verfolgen.
Anne Gilbert war nur zu froh, das Thema fallenlassen zu können. Sie plante und träumte schon zu lange für ihre Nichte, als daß sie mitansehen wollte, wie Whitney nur eine weitere Eroberung des Herzogs von Claymore wurde. Seit fast einem Jahr war Marie Saint-Allermain nun schon seine Geliebte, und Gerüchte besagten, daß er sie nach Spanien begleitet hatte, wo sie zwei Monate zuvor vor dem Königspaar aufgetreten war.
Seit Jahren brachten Gerüchte diesen Mann mit jeder schönen Frau von akzeptabler Herkunft in Verbindung, aber eine Heirat gehörte nicht zu den Dingen, die er zu bieten gewillt war. Dieser gutaussehende Adlige hatte so viele Herzen gebrochen und Hoffnungen auf eine Heirat zerstört, daß jeder vernünftigen Frau mit einer jungen weiblichen Verwandten wahre Schauder des Entsetzens über den Rücken liefen. Er war der letzte Mann auf dem Kontinent, an dem Whitney auch nur das geringste Interesse zeigen durfte.
Der letzte Mann auf der ganzen Welt.
Kapitel vier
Genau vier Wochen nach dem Maskenball bei den Armands verließ Matthew Bennett sein Büro und bestieg eine weinrote Kutsche mit dem goldenen herzoglichen Wappen auf dem Wagenschlag. Er legte seine Aktenmappe mit den Berichten über Miss Whitney Allison Stone neben sich auf den Sitz und streckte die langen Beine aus.
Seit nahezu einem Jahrhundert oblag es den Rechtsanwälten Bennett, sich um die rechtlichen Angelegenheiten der Familie Westmoreland zu kümmern. Und seit Clayton Westmoreland beschlossen hatte, den überwiegenden Teil seiner Zeit in England zu verbringen, erfreute sich Matthew Bennetts Vater in der Londoner Niederlassung der Sozietät einer persönlichen Bekanntschaft mit dem Herzog. Matthew hatte mit dem augenblicklichen Duke of Claymore bisher nur schriftlich verkehrt, daher war er sehr gespannt auf die Begegnung und darum bemüht, einen guten Eindruck zu machen.
Die Kutsche fuhr durch hügeliges Gelände, rollte an Wiesen vorbei, die mit wilden Blumen nahezu überschüttet wirkten, bis endlich das Landhaus des Herzogs in Sicht kam. Matthew Bennett kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Auf einer üppiggrünen Anhöhe gelegen, war das zweigeschossige Anwesen zu allen Seiten von Terrassen umgeben, die einen umfassenden Blick auf die Landschaft gewährten.
Vor dem Portal kam die Kutsche zum Stehen. Matthew Bennett nahm seine Aktenmappe und schritt langsam die geschwungene Freitreppe hinauf. Er zeigte dem livrierten Butler seine Karte und wurde in eine geräumige Bibliothek geführt.
Alleingelassen betrachtete Bennett beeindruckt die kostbaren Kunstgegenstände auf den glänzenden Rosenholztischen. Über dem Marmorkamin hing ein prachtvolles Rembrandtgemälde, eine weitere Wand war mit Skizzen und Zeichnungen des niederländischen Meisters geschmückt. Zwischen den Fenstern stand ein massiver, kunstvoll geschnitzter Eichenholzschreibtisch, den Bennett Junior auf das ausgehende 16. Jahrhundert datierte. Er lief über den samtweichen Perserteppich und ließ sich behutsam auf einem der hochlehnigen Lederstühle nieder, die dem Schreibtisch gegenüber standen.
Die Türen der Bibliothek öffnete sich, Matthew Bennett sprang schnell wieder auf die Füße und sah sich seinem Auftraggeber gegenüber. Clayton Westmoreland war Anfang Dreißig, dunkelhaarig, ungewöhnlich groß und ausgesprochen gutaussehend. Eine Aura beherrschter aber kraftvoller Energie ging von ihm aus und entsprach so gar nicht dem Bild, das sich Bennett Junior für gewöhnlich von Angehörigen des Hochadels mit ihrem Hang zu
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