Sturm der Verfuehrung
als Sarah jetzt innehielt und seine Miene studierte, erkannte sie, dass sein Blick in die Ferne gerichtet war, als sähe er dort etwas, was ihr verborgen blieb.
Er musste gemerkt haben, dass sie ihn musterte, denn plötzlich blinzelte er und begegnete ihrem Blick. »Äh ... ich bitte um Verzeihung.« Seine Augen waren noch immer leicht verschleiert. »Sie sagten, die Farm liege nördlich von hier ... meinen Sie, in diesem Tal - zwischen Watchet und Taunton?«
Sie runzelte die Stirn. »Ja.«
Er stand so abrupt auf, dass sie unwillkürlich zurückfuhr. Beruhigend hob er die Hände. »Ich wollte Sie nicht erschrecken.« Seine Stimme zitterte.
Sarah begriff, dass er aufgeregt war, so sehr, dass er förmlich vibrierte.
»Ich muss unbedingt mit Charlie sprechen. Warten Sie hier. Ich komme gleich wieder, und dann entscheiden wir, was wir tun.«
Verdutzt sah Sarah ihn hinausstürmen, hörte seine eiligen Schritte sich auf dem Korridor entfernen. Dann wurde die Tür zur Bibliothek geöffnet und geschlossen.
Charlie, der in der Bibliothek an seinem Schreibtisch saß, starrte auf den Federhalter in seiner Hand hinunter. Vor ihm lag eine knappe, noch unvollständige Zusammenfassung all dessen, was er von Malcolm Sinclair über die Finanzierung von Eisenbahnlinien erfahren hatte. Er hatte damit begonnen, um etwas Sinnvolles zu tun und sich von dem abzulenken, was er nicht tun konnte - Sarah von der Bürde befreien, die offensichtlich auf ihr lastete.
Dass er es nicht konnte, dass er angesichts ihrer derzeitigen ehelichen Situation nicht in der Lage war, seiner Frau zu helfen, wie es ihm sein Instinkt befahl, war nicht nur ein Quell des Unbehagens. Seine Unfähigkeit zu handeln untergrub die Grundfesten seiner Persönlichkeit.
Des Mannes, der er eigentlich war.
Des Mannes, der er eigentlich auch sein wollte.
Sein Entschluss, Sarah und seine Gefühle für sie tagsüber aus seinem Leben auszusperren, hatte zur Folge, dass er aus ihrem Leben ausgesperrt war. Das hatte er nicht vorausgesehen, nicht bedacht, dass es ihn von etwas fernhalten würde, was, wie er jetzt erkannte, lebenswichtig für ihn war.
Mit spielenden Kiefermuskeln tippte er mit der Spitze der Feder auf das Papier und hinterließ kleine Tintenkleckse darauf. So, wie er es geplant hatte, klappte es nicht mit ihrem gemeinsamen Leben. Es hatte zu viele Nachteile, seine Gefühle für Sarah zu unterdrücken, verlangte ihm zu viel Kraft ab. Es musste anders werden - aber wie sollte er das machen?
Er hatte keine Ahnung. Umso mehr, als er trotz allem noch immer nicht bereit war, der Liebe die Herrschaft über sein Leben zuzugestehen.
Er hörte eilige Schritte näher kommen, und im nächsten Moment platzte Barnaby herein. Ein völlig veränderter Barnaby. Charlie starrte verblüfft in das vor Aufregung glühende Gesicht seines Freundes, der sich vor ihm aufbaute.
»Ich habe gerade mit Sarah gesprochen, und ich fasse es nicht!« Barnaby stützte sich auf den Schreibtisch, beugte sich vor und fixierte Charlie mit leuchtenden Augen. »Nach all unserem Suchen! Ich kann nicht glauben, dass es direkt vor unserer Nase passiert! Wie könnten wir unseren Schurken besser überführen?!«
Während Charlie seinen Freund verständnislos ansah, beschlich ihn eine Ahnung drohenden Unheils, die sich innerhalb von Sekunden zur Gewissheit verdichtete. Ein eiskalter Schauer lief ihm über den Rücken.
Als Barnaby sah, dass Charlie ihm nicht folgen konnte, überlegte er kurz und sagte dann: »Vielleicht ziehe ich ja auch voreilige Schlüsse. Kann die Farm überhaupt ein Zielobjekt sein? Kann sie wichtig werden für den Bau einer Eisenbahnstrecke?«
Welche Farm! Eine überflüssige Frage, und so stellte Charlie sie gar nicht. Er wusste, wovon Barnaby sprach. Bedächtig legte er den Federhalter hin. »Die Quilley Farm.«
Barnaby bemerkte seinen seltsamen Ton, versuchte, in seinen Augen zu lesen, und scheiterte. »Sarah hat mir gerade von den Vorfällen berichtet. Sie klingen verdächtig nach den Methoden unseres Schurken - und in Verbindung mit den Offerten für das Objekt...«
»Offerten? Plural?«
Barnaby nickte. »Es kommt darauf an, ob die Farm von Bedeutung für den Bau einer zukünftigen Eisenbahnstrecke ist. Ist sie das?«
Es kostete Charlie Mühe, seine Gefühle so weit zu unterdrücken, dass er denken konnte. Er wusste nicht, wie lange er es durchhalten würde, aber er kannte die Topografie der betreffenden Gegend und brauchte nur einen Moment, um zu einem Urteil zu
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