Sturm der Verfuehrung
Bibliothek aufsuchen und bezüglich des Waisenhauses um seinen Rat bitten würde, hätte sie sofort seine volle Aufmerksamkeit. Er würde weder seine früheren Worte erwähnen noch ihre, das Gespräch würde schrecklich höflich verlaufen, aber - in ihren Augen - auch schrecklich unbefriedigend.
Es war alles so dumm. In ihrem gemeinsamen Schlafzimmer machte Charlie keinen Hehl aus seiner Liebe zu ihr, doch kaum verließen sie es, errichtete er eine Mauer zwischen ihnen.
Sarah wollte sie einreißen, so gründlich, dass er sie nie mehr aufbauen könnte. Sie hatte keine Ahnung, wie sie das anstellen sollte. Ihm die Möglichkeit zu geben, seinem Beschützerinstinkt zu folgen, ohne einzugestehen, dass dieser Instinkt bei ihm nicht nur vorhanden, sondern beinahe schmerzhaft stark war, weil er sie liebte, schien ihr jedenfalls keine gute Wahl zu sein. Sogar ein deutlicher Rückschritt.
Wenn sie das täte, würde er es als einen Beweis dafür sehen - und sich daran klammern -, dass seine Methode, die Gefühle in ihrer Ehe auf die Nächte zu beschränken, durchaus erfolgreich sein konnte und mit der Zeit auch würde.
Aber wenn sie ihn nicht um Hilfe bäte ...
Was, wenn doch eine Verbindung zwischen den Vorfällen und den Kaufangeboten bestand?
»Verdammt!« Sie blieb stehen und kämpfte mit dem Gedanken, dass sie es den Leuten im Waisenhaus - sowohl dem Personal als auch den Kindern - schuldig war, ihren Stolz hinunterzuschlucken und Charlie um Hilfe zu bitten. Sofort, bevor wieder etwas passierte, bevor noch jemand verletzt wurde. Ja, sich an ihn zu wenden würde ihrer Position ihm gegenüber schaden, aber das musste sie in Kauf nehmen.
Entschlossen straffte sie sich und nahm die Bibliothek ins Visier. Eine Bewegung am anderen Ende der Terrasse, nahe ihrem Wohnzimmer, lenkte sie ab.
Barnaby Adair kam von den Stallungen herauf.
Innerhalb von Sekunden schoss ihr alles durch den Kopf, was sie je über ihn gehört hatte, von Charlie und Jacqueline und Pris und anderen. Sie nahm sich nicht die Zeit, sich anhand dessen eine Meinung zu bilden, sondern rief einen Gruß und winkte.
Barnaby drehte den Kopf in die Richtung ihrer Stimme, und als Sarah ihre Röcke raffte und auf ihn zulief, blieb er stehen und wartete auf sie.
»Sarah.« Er nahm die Hand, die sie ihm reichte, und beugte sich darüber.
Jede Förmlichkeit vergessend, ergriff sie seine Hand. »Ich brauche dringend Ihren Rat. Können Sie ein paar Minuten erübrigen?«
Intelligente, blaue Augen forschten in ihrem Gesicht. »So viele Sie benötigen.«
Sie deutete auf die Fenstertür ihres Wohnzimmers. »Gehen wir hinein und setzen uns.«
Sie bot ihm Platz an, ließ sich auf der Chaiselongue nieder und trug ihm, die Hände wie zum Gebet gefaltet, ihr Problem vor. »Ich besitze außerhalb von Crowcombe, ein Stück nördlich von hier, eine Farm - die Quilley Farm. Sie ist nicht groß, besteht nur aus einem Gebäude und ein paar Feldern, aber sie wird als Waisenhaus geführt.« Mit kurzen Worten erklärte sie ihm, wie sie dazu gekommen war, und fuhr dann fort: »Zu Beginn des letzten Monats erschien ein Anwalt im Waisenhaus, um mir das Kaufangebot eines nicht genannten Mandanten zu unterbreiten. Ich lehnte es ab und glaubte, dass die Angelegenheit damit erledigt war. Aber nach unserer Hochzeit bekam mein Ehemann ein ähnliches Angebot. Natürlich nahm der Interessent an, dass das Waisenhaus mit der Heirat von meinem in Charlies Besitz übergegangen war. Das traf zwar zu, doch er hatte es mir per Ehevertrag umgehend wieder übereignet.«
Barnaby hing förmlich an ihren Lippen. »Und?«, fragte er gespannt.
Sarah atmete tief ein. »Danach ereigneten sich mehrere seltsame Zwischenfälle.« Sie schilderte ihm die Ereignisse in ihrer Reihenfolge. »Wie Sie sehen, scheinen die Dinge zu eskalieren, und ich kann im Gegensatz zum Personal nicht glauben, dass diese Attacken nur das Werk eines geistig Verwirrten sind. Und dann«, sie blieb stehen und fixierte Barnaby, »bekam ich gestern Morgen erneut Besuch von einem Anwalt. Charlie war nicht da, aber der Mann wollte ohnehin mit mir sprechen. Auch er überbrachte mir ein Kaufangebot für die Farm - ein wesentlich höheres, eines, das er selbst für dieses Objekt als offenkundig überhöht« bezeichnete. Er war unerträglich überheblich, aber bevor ich ihn hinauskomplimentierte, verlangte ich, den Namen seines Mandanten zu wissen. Er weigerte sich, ihn zu nennen.«
Barnaby hatte die ganze Zeit wie gebannt zugehört, doch
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