Sturm der Verfuehrung
»uns«, dirigierte sie den Gast zum Salon, läutete nach Crisp und bestellte Tee. Während sie darauf warteten, erklärte der Dekan, dass er auf einer routinemäßigen Rundreise zu den Kirchen des Amtsbezirks sei, jedoch »angesichts der unerwarteten Information, die der Bischof erhalten hatte«, in dessen Auftrag hergekommen wäre, um Sarah Mitteilung davon zu machen.
Als der Tee serviert und Crisp gegangen war, wandte der Dekan sich Sarah zu. »Wie Sie wahrscheinlich erraten haben, meine Liebe, bin ich wegen des Waisenhauses hier. Der Bischof hat einen Brief erhalten - anonym, wie es diese Briefe häufig sind -, und die darin erhobenen Anschuldigungen sind so erschreckend, dass er es als seine Gewissenspflicht erachtete, Sie eilends darüber in Kenntnis zu setzen.«
Sie stellte ihre Tasse ab. »Anschuldigungen? Welcher Art?«
Der Dekan fühlte sich sichtlich unwohl. Sein Blick suchte Zuflucht bei Charlie. »In dem Brief wird behauptet, dass die weiblichen Angestellten mit einigen der älteren männlichen Schützlinge gewisse ... Praktiken ... kurz gesagt, die Anschuldigungen sprachen von schwerster moralischer Verderbtheit.«
Sarah starrte den Dekan fassungslos an. »Das ist absoluter Unsinn. Sie haben die Leute kennengelernt, und das hat der Bischof auch. Sie wissen beide, dass diese Verdächtigungen aus der Luft gegriffen sind.«
Der Dekan nickte. »In der Tat. Und deshalb waren der Bischof und ich der Ansicht, handeln zu müssen.« Er beugte sich vor und ergriff ihre Hand. »Angesichts der Tatsache, dass diese Anschuldigungen unwahr sind, glauben der Bischof und ich, dass sie von jemand erdacht wurden, der dem Waisenhaus ernstlich schaden will -oder Ihnen.« Er schaute Charlie an. »Deshalb sahen wir es als dringend an, Sie unverzüglich davon zu unterrichten.«
Sarah begegnete dem Blick ihres Mannes, wusste, dass er das Gleiche dachte wie sie - dass dies der nächste Schachzug des Schurken war.
Charlie wandte sich an den Dekan. »Haben Sie den Brief mitgebracht, Sir?«
»Äh ... ja.« Verlegen griff der Kirchenmann in seine Robe. »Meine Liebe, ich hoffe, Sie werden es mir nicht verübeln, wenn ich darauf bestehe, dass Lord Meredith ihn an Ihrer statt liest. Mein Gewissen verbietet mir, Euch etwas Derartiges zuzumuten.«
Im ersten Moment wollte sie protestieren, doch dann entschied sie, den Dekan nicht noch zusätzlich aufzuregen. Also neigte sie zustimmend den Kopf und sah zu, wie Charlie den Brief entgegennahm, auseinanderfaltete und zu lesen begann.
Von Zeile zu Zeile wurden seine Züge härter, und als er zur nächsten Seite weiterblätterte, spielten seine Kiefermuskeln. Am Ende angekommen, zog er die Brauen hoch. »Großer Gott!« Mit einem Ausdruck abgrundtiefen Abscheus faltete er die Blätter wieder zusammen. »Darf ich den Brief behalten, Sir? Sobald wir Ihnen erläutert haben, was dahintersteckt und was im Großen und Ganzen vor sich geht, werden Sie verstehen, weshalb er sich als nützlich erweisen könnte.«
»Um die Wahrheit zu sagen, bin ich froh, wenn ich ihn nicht mehr sehen muss«, antwortete der Dekan. »Ein schlechter Mensch, wer immer das ersonnen hat.«
»Ein schlechter Mensch, in der Tat.« Charlie lehnte sich zurück und erläuterte, warum der Unbekannte das Waisenhaus unbedingt kaufen und Sarah mit allen Mitteln dazu zwingen wollte, es ihm zu überlassen, wie das mit einer vor langer Zeit begonnenen Reihe von Verbrechen zusammenhing und welcher Natur diese Verbrechen waren.
Der Dekan war entsetzt. »Gütiger Himmel.«
Charlie nickte. »Glücklicherweise wissen wir in diesem Fall dank der Beziehungen von Mr Adair zur neuen Metropolitan Police in London, was vor sich geht. Aber auch wenn wir den Grund für diese Vorkommnisse kennen, so müssen wir doch noch herausfinden, wer der Mann ist, dem wir sie verdanken.«
»Sie glauben, dass es immer der Gleiche ist, der hinter den Vorfällen steckt?«, fragte der Dekan.
»Ja. Es erscheint uns nicht wahrscheinlich, dass mehrere Leute unabhängig voneinander auf dieselbe Idee gekommen sind.« Charlie begegnete seinem Blick. »Wer immer er ist - er ist vorsichtig und klug.«
»Und gewissenlos«, fügte der Dekan mit einer Kopfbewegung in die Richtung des Briefes hinzu, den Charlie beiseitegelegt hatte. »Unschuldigen Frauen, die ihr Leben Waisenkindern widmen, derartige Dinge nachzusagen ist die Tat eines Schurken.«
»Eines Schurken, den zu ergreifen wir jetzt Gelegenheit haben«, sagte Charlie. »Und deshalb hoffen wir, dass Sie
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