Sturm der Verfuehrung
wurde, und für ein paar Minuten übernahmen Messer und Gabeln das Regiment. Schließlich fragte Charlie: »Und wie sind Sie auf die Eisenbahn gekommen?«
Diese Frage hatten Malcolm schon viele gestellt. »Das war reines Glück. Ich war in den Zwanzigern, als Stephenson Geldgeber für die Strecke Stockton-Darlington suchte. Obwohl großes Interesse an dem Konzept bestand, zogen es die meisten vor, vom Spielfeldrand aus zuzusehen, bis sich ein Erfolg abzeichnete. Zu der Zeit verfügte ich über das nötige Kapital, und da es sich um eine kurze Strecke handelte, wagte ich den Einsatz. Wir waren nur eine Handvoll, und nachdem die Strecke eröffnet war, waren wir immer die Ersten, die als potenzielle Finanziers auserwählt wurden. Und so investierte ich in die Strecke Liverpool-Manchester und kaufte mich in die Verlängerung nach London ein.«
»Dann haben Sie mit Ihren Investitionen in die Eisenbahn satte Gewinne erzielt.« Charlie tupfte sich mit der Serviette den Mund ab und schob seinen Teller weg.
»Ja.« Malcolm runzelte die Stirn. »Aber ich habe kein Geld in eines der anderen derzeit angebotenen Projekte gesteckt.«
»Nein? Warum?«
»Es sind zu viele. Alle sind auf den Zug aufgesprungen, und für jede erdenkliche Schienenverbindung werden Beteiligungen angeboten. London mit Manchester und Liverpool zu verbinden ist wirtschaftlich betrachtet einleuchtend. Was Newcastle-Carlisle angeht, habe ich so meine Zweifel, was eine hohe und schnelle Rendite angeht, aber sie haben trotzdem begonnen, die Schienen zu legen. Ich weiß, dass London-Bristol geplant ist, und das erscheint mir gewinnbringend, aber - und das ist die Frage bei so vielen heutzutage angepriesenen Anlagen - wann wird die Bahn fahren, wann wird die Investition rentabel sein, werden die Erträge ausreichen, um die Zeit zwischen der Investition und der ersten Rendite abzudecken?«
Charlie verstand. »Sie meinen, der Zeitrahmen ist gesprengt.«
Malcolm nickte. »Nehmen Sie Stockton-Darlington. Wir investierten Anfang 1821, sie fingen umgehend mit dem Bau der Strecke an, und der erste Anteilsschein wurde 1825 ausgegeben - nach vier Jahren etwa, eine relativ kurze Zeit für eine sehr solide Kapitalrendite. Liverpool-Manchester brauchte drei Jahre, von 1827 bis 1830. Wiederum eine akzeptable Zeit für eine solide Kapitalrendite. Die Verlängerung nach London jedoch wird weit mehr Jahre Bauzeit in Anspruch nehmen. Deshalb bin ich vorsichtig gewesen, und wenn Sie mich fragen, ist bei keinem der momentanen Angebote früher als in zehn Jahren mit einem Gewinn zu rechnen.«
Malcolm lehnte sich zurück und begegnete Charlies Blick. »Solche Investments liebe ich nicht.« Er hob die Hand. »Verstehen Sie mich nicht falsch - ich bin überzeugt, dass die meisten dieser Strecken tatsächlich gebaut werden. Aber die Zeit bis zur Emission von Wertpapieren ist nicht mehr investorfreundlich.«
Er überlegte kurz und fügte an: »Hinzu kommt, dass zu viele dieser Angebote von derselben kleinen, ursprünglichen Investorengruppe kommen. Sie brauchen neue Geldgeber, um ihre Projekte auf den Weg zu bringen, sind aber selbst nicht flüssig genug, um diese Projekte dann im angekündigten Tempo vorantreiben zu können. Es würde mich nicht überraschen, wenn in den nächsten zehn Jahren eine Reihe von Konsortien pleitegehen.«
Charlies Augen verengten sich. »Es wird also zu schnell zu viel getan und mit zu wenig Kapital - zumindest zu wenig Kapital für solche in weiter Ferne liegenden Renditen.«
Malcolm nickte. »Es ist auch erstaunlich, in welch geringem Maße die Schwierigkeiten in die Planung einbezogen werden, mit denen solche Projekte zu kämpfen haben. Ein weiterer Grund, einen großen Bogen um die Eisenbahn zu machen - zumindest, was Investitionen angeht.«
Charlies Brauen schossen in die Höhe. »Interessant!«
Die Mahlzeit war beendet, und sie standen auf. Nachdem sie beim Wirt ihre Zeche beglichen hatten, traten sie auf die Straße hinaus. Charlie wandte sich Malcolm zu. »Danke für Ihre Erkenntnisse - sie waren faszinierend.«
»Es war mir ein Vergnügen.« Malcolm reichte ihm die Hand. »Es hat mich gefreut, mit jemand zu sprechen, der meine Interessen teilt.«
Charlie empfand ebenso. »Wir müssen uns irgendwann wieder treffen, unsere gemeinsamen Interessen weiter ausloten.«
Malcolm neigte zustimmend den Kopf, und die beiden trennten sich zufrieden.
Charlies Blick wanderte zum Hafen hinunter. Der Wind hatte aufgefrischt und den Wellen Schaumkronen
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