Sturm im Elfenland
vorgewagt? War die Verbindung gerissen, und Ivaylo und sie fanden sich jetzt gestrandet im Dämonenreich, ohne eine Hoffnung, jemals wieder zurückzufinden?
Sie begann, sich von ihrem Stein zu lösen, als eine kaum wahrnehmbare Regung sie innehalten ließ. Hatte sie ihren Namen vernommen? Sie lauschte mit angehaltenem Atem.
»...lana«, ertönte es schwach aus weiter Ferne.
»Ich bin hier«, sandte sie den Ruf, so stark sie konnte. »Wir sind beide hier, Sverre! Wo ist der Weg?«
Wieder lauschte sie, atemlos, gespannt. Nichts.
»Ich bin zu schwach«, flüsterte sie und spürte, wie Ivaylo ihre Hand nahm.
»Was muss ich tun, um dir zu helfen?«, fragte er ruhig.
Alana öffnete die Augen und sah ihm ins Gesicht. Hatte es ein wenig mehr Farbe bekommen, erschien es nicht mehr ganz so erschreckend und knochig? Dennoch schüttelte sie den Kopf. »Ich will nicht, dass du hier unten stirbst«, entgegnete sie. »Du bist zu geschwächt, um mir beizustehen.«
»Wir werden beide hier unten sterben, wenn es uns nicht gelingt, Sverre zu erreichen«, widersprach er. »Wenn ich nur eine Last bin und dir nicht helfen kann, dann lass mich hier zurück und rette dich selbst.«
Wie eine Antwort erklang in der Ferne schrilles Geheul und ein Lärm wie von trommelnden Hufen. Der Dämonenreiter kehrte zurück und er brachte seine Truppen mit sich.
Alana umarmte Ivaylo heftig. »Ich lasse dich nicht allein!« Sie blickte in die Richtung, aus der der Lärm der heranrückenden Dämonenarmee zu ihnen schallte. »Wir haben keine Zeit mehr. Du hast recht. Wir sollten es beide gemeinsam versuchen.« Sie überlegte. »Die Steine haben ein starkes Signal gesendet, als ich sie beide zusammen in meiner Hand hielt. Sollen wir ...« Sie musste nicht zu Ende sprechen. Ivaylo legte seinen Sternenstein in ihre Hand und schloss seine Finger darum. Alana verschränkte ihre Finger mit seinen, fühlte die glatte Härte ihres Steins und die sanfte, raue Rundung des seinen und lächelte. »Ich rufe Sverre«, sagte sie.
»Und ich gebe dir Kraft«, erwiderte Ivaylo.Dieses Mal war ihr Ruf wie ein Lichtstrahl in der Dunkelheit, ein Blitz am trüben Himmel. Er fuhr hinauf und hinaus und die Stimmen der Steine begleiteten ihn.
Sverres Antwort kam unverzüglich und deutlich: »Hier ist euer Weg!«
Alana spürte einen Zug wie von einer festen Leine. Sie schluchzte vor Erleichterung und fragte: »Fühlst du es auch?«
Ivaylo bejahte. Er löste seinen Griff, mit dem er ihre Hand und die beiden Steine hielt, aber im gleichen Moment schwand die Verbindung zu Sverre. »Halt«, rief Alana und packte seine Hand. »Wir müssen verbunden bleiben.« Sie musterte ihn besorgt. »Schaffst du es?«
Ivaylo nickte knapp. Seine Lippen waren bläulich verfärbt und unter seinen Augen lagen schwarze Schatten. Er hielt sich viel länger als sie hier im Dämonenreich auf, und das schien ihm nach und nach die Lebenskräfte zu rauben. Auch Alana spürte das beständige Saugen und Zerren an ihren Kräften.
Sie schaute sich um. Das Getöse der Dämonen war lauter geworden, doch so weit ihre Augen reichten, war die Ebene leer. Sie drückte Ivaylos Hand. »Sie sind noch weit entfernt. Lass uns noch einen kurzen Moment ausruhen.« Alana drängte den tobenden Schmerz in ihrer verletzten Hand zurück und beruhigte ihren Geist. Sie vernahm Ivaylos mühsamen Atem und musste einen Anfall von Panik herunterschlucken. Wir schaffen es, dachte sie. »Wir müssen es einfach schaffen!«
»Ja«, erwiderte er, und sie bemerkte jetzt erst, dass sie laut gesprochen hatte.
»Komm«, sagte Alana und half ihm auf die Beine. Sie barg ihre verletzte Hand an der Brust, wobei ihr Blick zum ersten Mal auf den geschwärzten, blutig roten Klumpen verbranntes Fleisch fiel, der einst eine Hand mit fünf Fingern gewesen war. Sie schauderte.
»Tut es sehr weh?«, sagte Ivaylo. Sie nickte und blinzelte ein paar Tränen fort.
»Es sieht so schrecklich aus«, murmelte sie. »Wie kannst du mich noch mögen, wenn ich so eine, eine ...« Sie hatte keine Worte für das, was mit ihrer Hand geschehen war, und stieß nur einen Laut aus, der Abscheu und Ekel ausdrückte.
»Das hat nichts mit dir zu tun«, sagte Ivaylo. »Und nichts damit, ob ich dich mag oder nicht.« Er schnappte nach Luft. »Weiter«, stieß er hervor. »Ich weiß nicht, wie lange ich noch durchhalte.«
Alana hakte ihn so unter, dass sie ihn stützen konnte, ohne seine Hand loszulassen, und schritt voran, der unsichtbaren Verbindung zur
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