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Sturm ueber roten Wassern

Sturm ueber roten Wassern

Titel: Sturm ueber roten Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Lynch
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Lauris, bloß der Diener meines Herrn. Doch selbst er … wir sind bescheidene Leute, verdammt noch mal. Bescheiden und gerecht. Wir mögen vielleicht exzentrisch sein, aber grausam sind wir ganz gewiss nicht.«
    »Ich habe schon oft Adlige aus dem Reich der Sieben Ströme beim Vergnügungskrieg gesehen, Meister Fehrwight.«
    »Wir gehören nicht der Aristokratie an. Wir sind Händler … Kaufleute aus Emberlain.
    Für unseren Adel kann ich nicht sprechen, und meistens will ich mich mit diesem Stand gar nicht beschäftigen. Wissen Sie, ich habe schon viele Städte gesehen. Ich weiß, wie die Menschen leben. Ich war Zuschauer bei Gladiatorenkämpfen und Hinrichtungen, ich kenne Elend, Armut und Verzweiflung. Aber so etwas wie hier ist mir in meinem ganzen Leben noch nicht begegnet. Ich habe die Gesichter der Zuschauer beobachtet, gesehen, was in ihnen vorging, wenn irgendein armer Mensch geschunden und in den Dreck getreten wurde. Ich bekam mit, wie die Leute gafften und jubelten … sie führten sich auf wie Schakale, wie Aasgeier … so etwas ist nicht recht. Es kann nicht recht sein!«

7
     
     
    »Hier gilt nur ein Gesetz – das Gesetz der Lady Saljesca«, erklärte Lauris. »In Salon Corbeau darf jeder tun und lassen, was er will. Und beim Vergnügungskrieg fügen die Zuschauer dem gemeinen, niederen Volk genau das zu, was sie schon immer gern mit diesen einfachen Leuten machen wollten. Sie quälen sie in einer Weise, die anderswo verboten ist. Hier enttarnen sie sich und zeigen ihr wahres Wesen; wenn sie keinen Anstand mehr zu heucheln brauchen, kümmert sie nichts mehr. Was denken Sie, woher Flink stammt? Meine Schwester sah, wie eine Adlige Kätzchen mit Dämpfen von Dämonenstein brechen ließ, damit ihre Söhne sie mit Messern quälen konnten.
    Weil die Buben sich beim Tee immer so langweilten. Willkommen in Salon Corbeau, Meister Fehrwight. Es tut mir leid, dass es nicht das Paradies ist, das Sie sich vielleicht erhofft hatten, als Sie diesen Ort von weitem sahen. Aber was sagen Sie zu unserer Arbeit? Gefällt Ihnen der Stuhl … das heißt, was bis jetzt davon fertig ist?«
    »Doch, ja«, erwiderte Locke gedehnt. »Ich finde ihn sehr gelungen.«
    »Wenn ich es mir erlauben darf, Ihnen einen Rat zu geben«, fuhr Lauris fort, »dann schlage ich vor, dass Sie für den Rest Ihres Aufenthaltes in Salon Corbeau die Arena meiden. Machen Sie es wie alle anderen, die gezwungenermaßen hier leben, ignorieren Sie den Vergnügungskrieg. Verschließen Sie die Augen davor und tun Sie so, als gäbe es ihn gar nicht.«
    »Wie Sie meinen, Madam Baumondain.« Locke seufzte. »Vielleicht werde ich Ihren Rat befolgen.«
    Aber Locke konnte sich nicht fernhalten. Morgens, am Nachmittag und am Abend fand er sich in der öffentlichen Galerie ein, hielt sich abseits, verzichtete auf Essen und Trinken. Er beobachtete eine Zuschauermenge nach der anderen, eine Schlacht nach der anderen, eine Demütigung nach der anderen. Mehrere Male begingen die Dämonen grausige Fehler; Prügel und Strangulierungen gerieten außer Kontrolle. Den Kandidaten, die versehentlich so schwer misshandelt wurden, dass eine Genesung unmöglich schien, wurden an Ort und Stelle die Schädel zertrümmert, begleitet vom höflichen Applaus der Zuschauer. Man wollte ja nicht ungnädig sein.
    »Korrupter Wärter«, murmelte Locke, als es zum ersten Mal passierte. »Es ist nicht mal ein Priester zugegen … kein einziger …«
    Vage vergegenwärtigte er sich, was er sich selbst antat. Er spürte die Unruhe in seinem Inneren, als sei sein Gewissen ein tiefer, stiller See, in dem eine Bestie sich langsam an die Oberfläche kämpfte. Jede brutale Erniedrigung, jede schmerzhafte Strafe, die von irgendeinem verwöhnten adligen Kind begeistert verhängt wurde, während die Eltern beifällig lachten, verlieh dieser Bestie neue Kräfte – trotz seines kühlen Taktierens und seiner festen Überzeugung, an dem Plan festzuhalten.
    Er versuchte, sich in einen Zorn hineinzusteigern, der über sein gesundes Urteilsvermögen siegte.
    Der Dorn von Camorr war eine Maske, hinter der er sich halbherzig verschanzt hatte, weil es seinen Absichten förderlich war. Nun jedoch entwickelte sie beinahe ein Eigenleben, glich nicht länger einer Rolle, die er spielte, sondern schien seine gesamte Persönlichkeit aufzuzehren; was als theatralischer Effekt begann, entpuppte sich als hartnäckiger Quälgeist, der ihn immer intensiver drängte, für seine Überzeugung einzustehen.
    Unternimm

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