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Sturm ueber roten Wassern

Sturm ueber roten Wassern

Titel: Sturm ueber roten Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Lynch
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Magisteria zurückschleppten, zurrte Stragos das Boot wieder an einem Pfahl fest.
    Er stand auf, streckte sich und spürte das vertraute Knacken in den Gelenken, die Schmerzen in den Hüften, Knien und Schultern. Verfluchter Rheumatismus … gewiss, er hatte sich gut gehalten, er war immer noch rüstiger als die meisten Männer von fast sechzig; aber tief in seinem Herzen wusste er, dass er nicht ewig vor dem Alter davonlaufen konnte. Früher oder später würde die Herrin des Langen Schweigens Maxilan Stragos zum Tanz auffordern, ungeachtet dessen, ob sein Werk hier vollendet war oder nicht.
    Merrain stand im Schatten der unbeleuchteten Seite des Bootshauses, still und reglos wie eine Spinne auf der Lauer, bis sie plötzlich in den Lichtkreis trat. Nur seine in langen Jahren antrainierte Selbstbeherrschung verhinderte es, dass er erschrocken zusammenzuckte.
    »Danke, dass Sie die zwei gerettet haben, Merrain. In den letzten Wochen haben Sie mir so manchen nützlichen Dienst erwiesen.«
    »So wie man es mir beigebracht hat«, antwortete sie. »Erlauben Sie mir eine Frage - sind Sie auch ganz sicher, dass die beiden sich für die Umsetzung Ihrer Pläne eignen?«
    »In dieser Stadt müssen sie sich fühlen wie die Fische auf dem Trockenen.« Stragos kniff die Augen zusammen und sah den vagen Umrissen von Locke, Jean und ihren Begleitern hinterher, die langsam mit der Dunkelheit des Gartens verschmolzen. »Die Soldmagier haben sie uns auf dem Silbertablett präsentiert, und wir bringen sie dazu, dass sie sich jeden ihrer Schritte zweimal überlegen. Ich glaube nicht, dass dieses Gespann daran gewöhnt ist, kontrolliert zu werden. Draußen auf See, auf sich allein gestellt, werden sie zur Hochform auflaufen, davon bin ich fest überzeugt.«
    »Sind die Berichte über sie denn so vertrauenerweckend?«
    »Ich verlasse mich nicht nur auf die Berichte, sondern in erster Linie auf das, was ich aus eigener Anschauung weiß. Immerhin hat Requin sie noch nicht kaltgemacht, oder?«
    »Sieht nicht danach aus.«
    »Sie werden es schaffen«, sagte Stragos bestimmt. »Ich kann in den beiden lesen wie in einem offenen Buch. Allmählich wird ihre Abneigung gegen diese Mission schwinden, und das Neuartige an ihrer Situation wird sie faszinieren. Nicht mehr lange, und sie finden Geschmack an der Sache. Und wenn sie erst mal anfangen, sich zu amüsieren … nun, ich gehe fest davon aus, dass sie ihre Aufgabe mit Bravour meistern werden. Das heißt, wenn sie lange genug am Leben bleiben. Es wäre verdammt schade, wenn ihnen etwas zustieße, denn andere Agenten, die auch nur halbwegs für diese Mission taugen, stehen mir nicht zur Verfügung.«
    »Kann ich dann meinen Gebietern ausrichten, dass der Plan in die Wege geleitet wurde?«
    »Ja, ich glaube, dazu sind wir verpflichtet. Tun Sie das.« Stragos betrachtete die schemenhafte Gestalt der schlanken jungen Frau und seufzte. »Lassen Sie diese Leute wissen, dass in ungefähr einem Monat alles anfangen wird. Ich kann nur hoffen, dass sie für die Konsequenzen gerüstet sind.«
    »Niemand ist für die Konsequenzen gerüstet«, entgegnete Merrain. »Es wird ein Blutvergießen geben, wie man es seit zweihundert Jahren nicht mehr erlebt hat. Aber indem wir den Stein ins Rollen bringen, kann es gut möglich sein, dass die anderen den größten Teil des Ärgers abkriegen. Wenn Sie gestatten, Archont, dann gehe ich jetzt und mache gleich Meldung.«
    »Selbstverständlich. Und übermitteln Sie die Nachricht mit meinen besten Empfehlungen. Richten Sie aus, ich würde dafür beten, dass unsere Geschäfte auch in Zukunft florieren -zu beiderseitigem Nutzen.«
     

Letzter R ückblick
    Am eigenen Strick
1
     
     
    »Oh, das ist ja ein fabelhafter Ort, um in den Tod zu springen!«, rief Locke.
    Seit seiner Rückkehr aus Salon Corbeau waren sechs Monate vergangen; die vier erstklassig gearbeiteten Stühle befanden sich sicher verwahrt in einem privaten Lagerraum der Villa Candessa. Was in Tal Verrar als Spätwinter durchging, sorgte in dieser Region für so niedrige Temperaturen, dass man sich tatsächlich anstrengen musste, um zu schwitze n.
    Einen scharfen Tagesritt nördlich von Tal Verrar, gleich hinter dem Dorf Vo Sarmara und den umliegenden Feldern, wuchs zu beiden Seiten eines breiten, felsigen Tals ein mit Dickicht durchsetzter Wald aus knorrigen Hexenholz- und Amberdornbäumen.
    Die Talwände erinnerten mit ihrer grauen Farbe an einen Leichnam und ließen den Ort wie eine gigantische Wunde in

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