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Sturm ueber roten Wassern

Sturm ueber roten Wassern

Titel: Sturm ueber roten Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Lynch
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verdoppelte rasch die Segelfläche, und unter der stattlichen Segelpyramide konnte Locke eine Ahnung des Rumpfes erkennen. Was immer dieses Schiff auch ein mochte, es preschte in Richtung Nord zu West und ging auf einen Abfangkurs zur Kurier.
    »Sie sind ungeheuer schnell«, rief Jean, eindeutig von diesem Schauspiel fasziniert.
    »Sieh nur, wie rasch sie aufkommen! Ich verwette meine Leber, dass die Kurier nicht mal vier Knoten macht. Und das andere Schiff macht mindestens acht, wenn nicht noch mehr.«
    »Vielleicht scheren sie sich auch keinen Deut um die Kurier«, zweifelte Locke.
    »Vielleicht sehen sie, dass sie beschädigt ist und rauschen bloß vorbei.« »Als wollten sie sagen, ›ihr könnt uns mal am Arsch lecken!‹«, spottete Jean. »Schade.«
    Das fremde Schiff nahm stetig an Größe zu; vage Umrisse verdichteten sich zu einem schlanken, dunklen Rumpf, schwellenden Segeln und hohen, schmalen Masten.
    »Ein Zweimaster!«, rief Jean. »Eine Brigg, die jeden Fetzen auch gesetzt hat!« Locke spürte ein unverhofftes Aufwallen von Nervosität; er bemühte sich, seine Anspannung zu meistern, als sich die Kurier schwerfällig nach Südwesten quälte, während der Neuankömmling stetig den Abstand zu ihr verringerte. Jetzt drehte das fremde Schiff ihnen die Steuerbordseite zu. Wie Jean gesagt hatte, war es ein Zweimaster mit einem flachen, auf Schnelligkeit ausgelegten Rumpf, der so tiefschwarz war, dass er glänzte.
    Dann erschien in der Luft über dem Heck ein dunkler Fleck. Er bewegte sich nach oben, dehnte sich aus und entfaltete sich zu einer riesigen flatternden Fahne – ein knallrotes Banner, das glänzte wie frisches Blut.
    »Oh Götter!«, schrie Locke. »Ihr erlaubt euch wohl einen schlechten Scherz!«
    Der Neuankömmling rauschte weiter, mit dem Bug weißschäumende Wellen hochpflügend, und von Sekunde zu Sekunde wurde der Abstand zur Kurier geringer. Hinter dem fremden Schiff tauchten helle, niedrig im Wasser liegende Umrisse auf – Boote, gerammelt voll mit den dunklen Gestalten von Matrosen. Das neue Schiff schwang blitzschnell herum und legte sich auf die Leeseite der Kurier, wie ein hungriges Raubtier, das seiner Beute den Fluchtweg abschneidet; unterdessen flitzten die Boote über die Wellen, um von Luv her anzugreifen. Was immer Jabril und seine Mannschaft unternahmen, um die Attacke abzuwehren, es reichte nicht; immer wieder hallten Salven von kriegerischem Gebrüll über das Wasser, und bald schwärmten kleine schwarze Flecken an den Bordwänden der Kurier hoch.
    »Nein!« Locke merkte erst, als Jean ihn hastig wieder nach unten zog, dass er in seiner Erregung aufgesprungen war. »Ihr verdammten Bastarde! Ihr bei allen Göttern verfluchten, elenden Gauner! Ihr könnt nicht einfach mein Schiff stehlen …«
    »Das bereits gestohlen wurde«, ergänzte Jean.
    »Tausend Meilen bin ich gereist, um euch den dreckigen Arsch aufzureißen«, schrie Locke, »und zwei Stunden nachdem man uns in einem Boot ausgesetzt hat, taucht ihr auf!«
    »Es war nicht mal eine Stunde«, berichtigte Jean.
    »Verdammte, hundsgemeine, dreckige, schlappschwänzige Piraten!«
    »Diebe sind gesegnet!«, legte Jean nach und biss sich auf die Fingerknöchel, konnte das Lachen aber nicht unterdrücken.
    Der Kampf, wenn dieses Gewusel denn diese Bezeichnung verdiente, dauerte keine fünf Minuten. Jemand auf dem Achterdeck übernahm das Steuer, schwang das Rad herum, um den Wind aus den Segeln zu schütteln und ihr das bisschen Fahrt zu nehmen, das sie hatte. Sämtliche Segel wurden eingeholt, und bald trieb sie sachte im Wasser, mit einem längsseits festgemachten Boot der Piraten. Ein anderes Boot bewegte sich zu dem Schiff zurück, zu dem es gehörte. Mit wesentlich weniger Fahrt als während der Aufholjagd zur Kurier segelte das fremde Schiff dann über Backbordbug in die ungefähre Richtung, in der sich Locke und Jean befanden – ein gieriges Monster, das mit seiner nächsten winzigen Mahlzeit spielte. »Ich denke, wir kriegen ein Problem«, meinte Jean und ließ die Fingerknöchel knacken. »Wir sollten uns darauf vorbereiten, einen Entertrupp abzuwehren.«
    »Womit? Mit einem Stilett und unseren schlimmsten Flühen?« Locke ballte die Fäuste; sein Zorn war in Aufregung umgeschlagen. »Jean, wenn wir an Bord dieses Schiffes gelangen und diese Leute so bequatschen, dass sie uns in ihre Mannschaft aufnehmen, sind wir wieder im Spiel, bei den Göttern!«
    »Vielleicht wollen sie uns aber auch nur umbringen und das Boot

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