Sturm ueber roten Wassern
verdient hat!«
»Es steht dir nicht zu, dir darüber ein Urteil anzumaßen!«, fauchte das Mädchen. »… es steht dir nicht zu, die Magier von Karthain zu verurteilen …«, raunte die Gruppe. »Unsere Motive entziehen sich deiner Beurteilung«, zischte die Kleine. »Wer bist du, dass du dir einbildest, unsere Gesetze zu verstehen?«
»Jeder weiß, dass es seinen Tod bedeutet, wenn er einen Soldmagier abmurkst«, bestätigte Jean. »Mehr ist nicht bekannt. Wir ließen den Falkner am Leben und sorgten dafür, dass er zu euch zurückkam. Damit ist der Fall für uns erledigt. Wenn ihr Wert darauf gelegt habt, dass wir sonst noch was mit ihm anstellen, hättet ihr uns einen Brief schreiben müssen!«
»Für uns ist der Fall noch lange nicht erledigt«, sagte das Mädchen. »Er fängt gerade erst an«, ergänzte der Chor.
»Wir fassen die Verstümmelung des Falkners als einen Angriff auf unsere gesamte Gilde auf. Ein Bruder wurde übel zugerichtet – das betrifft jeden von uns«, flüsterte das Mädchen.
»Jeden Einzelnen von uns«, bekräftigte die Runde. »Dieses Verbrechen können wir nicht dulden!«, legte die Kleine nach. »Wir können es nicht dulden! Es schreit nach Rache!«, verkündete der Chor. »Ihr verdammten Arschlöcher«, spottete Locke. »Ihr haltet euch wohl wirklich für Götter, wie? Ich habe den Falkner nicht in irgendeiner dunklen Gasse überfallen und ihm seine Geldkatze geklaut. Er hat dazu beigetragen, meine Freunde zu ermorden! Ich habe kein Mitleid mit ihm, auch wenn er den Verstand verloren hat, und der Rest von euch ist mir scheißegal! Na los doch, tötet uns und kehrt dann wieder zu euren Alltagsgeschäften zurück, oder verpisst euch und gebt diese Leute frei.« »Nein!«, tönte es aus dem Mund des Skorpionverkäufers. »Nein!«, sprach der Kreis der Händler nach.
»Memmen! Drückeberger!« Mit einer Axt deutete Jean auf das kleine Mädchen. »Mit diesem Schmierentheater könnt ihr uns nicht beeindrucken!« »Wenn ihr uns zwingt«, legte Locke nach, »dann verfolgen wir euch mit unseren Waffen den ganzen Weg bis nach Karthain. Ihr seid genauso verwundbar wie alle anderen Menschen. Wenn man euch absticht, dann fließt auch Blut. Ihr könnt uns auch nichts Schlimmeres antun, als uns zu töten!«
»Du irrst dich«, kicherte das Mädchen. »Wir können euch ein Schicksal bereiten, das viel schlimmer ist als der Tod«, behauptete die Obstverkäuferin.
»Wir können euch leben lassen«, warf der Skorpionhändler ein.
»In ständiger Angst …«, murmelten die Umstehenden, während sie langsam rückwärts schritten und den Kreis erweiterten.
»Unter dauernder Beobachtung«, drohte die Kleine. »Als Verfolgte«, raunte der Chor. »Wartet nur ab«, prophezeite das Kind. »Beschäftigt euch ruhig weiterhin mit euren kleinen Spielchen, und jagt dem bisschen Geld nach, das ihr euch ergaunern könnt.«
»Wartet ab«, flüsterte der Kreis der Händler. »Wartet auf das, was wir euch bescheren.
Wartet auf den Tag der Abrechnung!«
»Ihr könnt uns nicht entkommen«, zischte die Kleine. »Wir wissen immer, wo ihr seid und was ihr gerade tut.«
»Wir wissen alles über euch!«, trumpfte der Chor auf; allmählich löste sich die Gruppe auf, und die einzelnen Händler zogen sich wieder an ihre Verkaufsstände zurück, an denen sie noch vor wenigen Minuten ihre Waren angepriesen hatten.
»Ihr werdet noch bitter bereuen, was ihr dem Falkner von Karthain angetan habt«, drohte die Kleine, ehe sie davonschlüpfte.
Locke und Jean sagten nichts, während die Verkäufer ihre alten Plätze auf dem Nachtmarkt wieder einnahmen; nach und nach gingen die Laternen und die in Fässern flackernden Feuer wieder an, um die Gegend erneut in warmes Licht zu tauchen. Dann war der ganze Spuk zu Ende; die Händler trugen abermals ihre aufdringliche Geschäftstüchtigkeit oder verhaltene Langeweile zur Schau, und rings um sie her erhob sich ein Stimmengewirr wild durcheinander plaudernder Menschen. Eilig versteckten Locke und Jean ihre Waffen, ehe sie jemand bemerkte.
»Bei den Göttern«, hauchte Jean und schüttelte sich.
»Mir scheint«, meinte Locke, »ich habe bei dem verfluchten Schwips-Vabanque noch längst nicht genug getrunken.« Am Rande seines Blickfelds bildete sich Nebel; er legte die Hände an die Wangen und stellte zu seiner Überraschung fest, dass er weinte. »Verbrecher!«, knurrte er. »Scheusale! Feiges, angeberisches Pack!«
»Recht hast du«, pflichtete Jean ihm bei.
Argwöhnisch um
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