Sturm ueber roten Wassern
Sinne gewesen.«
»Das nächste Mal verkneifst du es dir, um Ionos willen! Du weißt genau, dass ich die Kinder bald wieder abgeholt hätte. Und jetzt geh und pack deine Sachen.«
»Meine Sachen?«
»Steig in das letzte Boot, das zur Kurier übersetzt. Du gehörst zur Prisencrew.«
»Prisencrew? Käpt’n, ich eigne mich nicht besonders …«
»Ich will, dass das Schiff vom Bugspriet bis zur Heckreling inspiziert wird. Mach eine exakte Aufstellung von allem, was sich an Bord befindet, und schätze ab, was es wert ist. Wenn ich mit dem Schiffsabwracker darüber verhandle, will ich wenigstens wissen, wie dreist der Kerl vorgeht, wenn er versucht, mich zu bescheißen.«
»Aber …«
»Wenn wir uns in Port Prodigal wiedertreffen, erwarte ich von dir eine detaillierte Liste. Die Prise, die wir an Bord der Orchidee gebracht haben, ist kaum der Rede wert.
Geh rüber auf die Kurier, und verdiene dir deinen Anteil.«
»Zu Befehl, Käpt’n.«
»Mein Quartiermeister«, erklärte Zamira, nachdem Gwillem fluchend davongetrottet war. »Kein schlechter Mann. Leider neigt er dazu, sich vor richtiger Arbeit zu drücken.«
Im Schiffsbug befand sich die Back, ein Aufbau auf dem Vorschiff, der ungefähr viereinhalb Fuß über dem Hüttendeck aufragte, mit breiten Treppen zu beiden Seiten.
Zwischen den Treppen führte ein offener Durchgang in einen düsteren Raum, der unter dem Vordeck lag. Locke schätzte, dass er circa sieben bis acht Yards lang und dabei so niedrig war, dass man nicht aufrecht stehen konnte.
Auf dem Vordeck und den Treppenstufen hockte dicht gedrängt der größte Teil von Lockes ehemaliger Schiffsbesatzung, nachlässig bewacht von einem halben Dutzend bewaffneter Matrosen der Orchidee. Jabril, der zusammen mit Aspel ganz vorn saß, schien es sehr witzig zu finden, Locke und Jean wiederzusehen. Die Männer hinter ihm begannen zu murren.
»Ruhe!«, schnauzte Ezri und stellte sich zwischen Zamira und die Neuankömmlinge.
Locke, der nicht recht wusste, wie er sich verhalten sollte, rückte mit Jean ein Stück zur Seite und wartete auf Instruktionen. Drakasha räusperte sich.
»Ein paar von euch kennen mich noch nicht. Ich bin Zamira Drakasha, Kapitän des Kaperschiffs Giftorchidee. Hört mir gut zu. Jabril sagte mir, dass ihr in Tal Verrar ein Schiff bestiegen habt, in der Annahme, ihr würdet auf Kaperfahrt gehen. Hatte einer von euch Bedenken, ein Pirat zu sein?«
Die meisten ehemaligen Männer der Kurier schüttelten die Köpfe oder verneinten leise.
»Das ist gut so. Denn ich bin genau das, was euer Freund Ravelle vorgab zu sein.«
Drakasha streckte den Arm aus und legte ihn Locke um die Schultern. Sie lächelte theatralisch, und ein paar der weniger mitgenommenen Männer der Kurier glucksten vergnügt in sich hinein. »Ich bin niemandem unterstellt, und ich diene keinem Menschen. Ich bin frei. Wenn ich hungrig bin, hisse ich die rote Flagge, und wenn ich satt bin, fahre ich unter falscher Flagge. Mein einziger Anlaufhafen ist Port Prodigal im Geisterwind-Archipel. Sonst will man mich nirgendwo haben. Und nirgendwo anders wären wir sicher. Ihr wohnt auf diesem Deck, ihr teilt diese Gefahr. Ich weiß, dass einige unter euch mich nicht verstehen. Betrachtet dieses Schiff als den einzigen Ort in der großen weiten Welt, der kein Höllenschlund ist. Alles außer der Giftorchidee gleicht einem elenden schwarzen Arschloch, in das nicht der kleinste Lichtstrahl fällt. Das lasst ihr zurück, wenn ihr euch mir anschließt. Auf diesen Dreck verzichtet ihr, solange ihr bei mir an Bord seid!«
Sie ließ Locke los und bemerkte mit Genugtuung die ernsten Mienen der Kurier-Crew.
Schwungvoll deutete sie auf Ezri. »Mein Erster Maat, Ezri Delmastro. Wir nennen sie ›Leutnant‹, und das werdet ihr auch tun. Was sie sagt, ist Gesetz und wird von mir unterstützt – bedingungslos. Merkt euch das!
Die Bordärztin habt ihr schon kennengelernt. Magister Treganne sagte mir, ihr seid nicht in der allerbesten Verfassung, aber so schlimm sei es auch wieder nicht.
Diejenigen, die Erholung brauchen, sollen sie bekommen. Mit Leuten, die zu schwach zum Arbeiten sind, kann ich nichts anfangen.«
»Heißt das, dass Sie uns anbieten, Ihrer Mannschaft beizutreten, Käpt’n Drakasha?«, erkundigte sich Jabril.
»Ihr bekommt diese eine Chance«, antwortete Ezri. »Das ist auch schon alles. Ihr seid keine Gefangenen, aber freie Männer seid ihr auch nicht. Ihr seid das, was wir die Schrubberwache nennen. Geschlafen wird
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