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Sturm ueber roten Wassern

Sturm ueber roten Wassern

Titel: Sturm ueber roten Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Lynch
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Locke nicht erkannte. »Als Seemann taugt er zu nichts, und er ist wirklich ein Arschloch durch und durch, aber allein schon weil er uns befreit hat, sollten wir ihn als Kameraden behandeln.«
    Konntest du nicht die Klappe aufreißen, als man uns in dem verfluchten Boot ausgesetzt hat?, dachte Locke gereizt.
    »Aye, er ist ein Arschloch durch und durch, in dieser Hinsicht gebe ich dir recht«, warf Mazucca ein.
    »Und wir anderen geben dir recht, was die Behandlung als Kameraden betrifft«, ergänzte Jean in dem behutsamen Ton, den er sich für Leute aufsparte, die er am liebsten zusammengeschlagen hätte. »Und eines merke dir, Mazucca, Orrin ist nicht allein!«
    »Reichlich düster hier«, knurrte Mazucca. »Und wir hocken verdammt eng aufeinander. Denkst du, du bist schnell genug, um zu verhindern, dass einer ihm heimzahlt, was er uns eingebrockt hat? Du kannst nicht dauernd wachbleiben und auf ihn aufpassen, einmal fallen auch dir die Augen zu. Es steht achtundzwanzig zu zwei…«
    »Wenn du mit mir allein wärst«, gab Jean verächtlich zurück, »würdest du dir in die Hosen pissen, sowie ich nur mit den Fingern knacke.«
    »Jerome«, wiegelte Locke ab. »Immer mit der Ruhe. Wir können doch alle …«
    Aus dem Dunkel ertönte ein Scharren, dann ein gedämpfter Knall. Mazucca gab ein ersticktes Krächzen von sich.
    »Du verfluchter glatzköpfiger Wichser«, zischte eine unbekannte Stimme. »Wenn du den beiden ein Haar krümmst, macht Drakasha dich kalt, hast du kapiert?«
    »Du machst es für uns alle nur noch schlimmer!«, schimpfte Jabril. »Sag mal, hast du noch nie von Zamira Drakasha gehört? Wenn du ihr blöd kommst, vermasselst du uns die Chance, ihrer Mannschaft beizutreten. Wenn du keine Ruhe gibst, Mazucca, dann wirst du feststellen, was es heißt, wenn es achtundzwanzig zu eins steht. Dann wirst du noch um den Tod betteln!« Es folgte zustimmendes Gemurmel, und dann ein scharfes Keuchen, als derjenige, der Mazucca bei der Gurgel gepackt hatte, ihn losließ.
    »Frieden«, ächzte er. »Ich … ich werde schon nichts vermasseln. Ab jetzt halt ich die Klappe.«
    Die Nacht war warm, und die Wärme, die von den dreißig auf engem Raum zusammengepferchten Männern ausging, wurde bald unerträglich, trotz des kleinen Entlüftungsschlitzes, der in die Back eingelassen war. Als Lockes Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, konnte er die schattenhaften Umrisse der anderen Männer deutlicher ausmachen. Sie lagen oder saßen Seite an Seite wie Vieh. Rings um sie her vibrierte das Schiff vor Energie. Füße trampelten über das Vordeck, das Deck darunter hallte wider von den Aktivitäten der dort beschäftigten Matrosen, die lachten und sich gegenseitig etwas zuriefen. Die Wellen klatschten gegen den Bug und flossen zischend an den Seiten entlang, und vom Heck her erklangen unentwegt Befehle und andere Geräusche, die mit der Schiffsführung zusammenhingen.
    Nach einer Weile erhielten sie eine kleine Mahlzeit aus lauwarmem, gesalzenem Schweinefleisch, und jeder bekam einen halben Lederbecher voll stinkendem Gesöff, das entfernt an Bier erinnerte. Essen und Trinken wurde unbeholfen von den Männern weitergereicht; Knie und Ellenbogen stießen in Mägen oder gegen Köpfe, bis jeder seinen Teil an Knüffen abbekommen hatte. Später folgte die ebenso schmerzhafte Rückgabe der Becher und Zinnschalen, und danach krochen die Männer übereinander weg, um sich auf dem Abtritt zu erleichtern. Als Locke sich endlich in seiner winzigen Nische gegen Jeans Rücken lehnen konnte, überkam ihn eine plötzliche Eingebung.
    »Jabril, hat jemand daran gedacht zu fragen, welcher Tag heute ist?«
    »Der zwölfte Tag von Festal«, antwortete Jabril. »Ich habe Leutnant Delmastro gefragt, als man mich an Bord zog.«
    »Zwölf Tage«, murmelte Jean. »Der Sturm hat verdammt lange gedauert.«
    »Ja«, seufzte Locke. Zwölf Tage waren verstrichen. Vor nicht ganz zwei Wochen waren sie in See gestochen, und jeder der hier anwesenden Männer hatte ihn und Jean wie Helden verehrt. Und zwölf Tage lang hatte das Gegengift Zeit gehabt, seine Wirkung zu verlieren. Bei den Göttern, der Archont … wie zur Hölle sollte er ihm erklären, was mit dem Schiff passiert war?
    Konnte er ihm weismachen, er hätte es durch irgendein nautisches Problem verloren?
    »Tut mir schrecklich leid, aber anstatt meinen Pimmel vor den Wind zu drehen, um das Schiff steifer zu machen, habe ich meinen Schwanz steif gemacht und das Schiff in den Wind

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