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Sturm ueber roten Wassern

Sturm ueber roten Wassern

Titel: Sturm ueber roten Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Lynch
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heilige Reliquie. Sprich nicht von Sabetha Belacoros. Sprich nicht von unseren Coups. Sprich nicht von Jasmer, oder Espara, oder irgendeinem anderen Trick, den wir durchgezogen haben. Ich habe neun Jahre lang mit Sabetha gelebt, genauso wie du, und ich habe so getan, als gäbe es sie nicht, nur um dich nicht aufzuregen! Tja, ich bin nicht du, ich gebe mich nicht damit zufrieden, wie ein Mönch zu leben, der Enthaltsamkeit geschworen hat. Ich will nicht ständig im Schatten irgendeines verdammten Weibsbilds stehen! Die Erinnerung an Sabetha hängt wie eine dunkle Wolke über uns!«
    Locke prallte zurück. »Jean, ich habe nicht … ich wollte doch nicht …«
    »Und hör auf, mich Jean zu nennen, bei allen Göttern!«
    »Natürlich«, erwiderte Locke kühl. »Natürlich. Wenn wir so weitermachen, fallen wir total aus der Rolle. Ich komme auch allein zurecht. Geh du nur zurück zu Delmastro.
    Sie muss sich am Steuer festhalten, damit sie überhaupt aufrecht stehen kann.«
    »Aber …«
    »Geh endlich!«, schrie Locke.
    »Na schön.« Jean drehte sich um, dann blickte er noch einmal zurück. »Damit eines klar ist – ich mache da nicht mit! Du weißt, dass ich dir in die dickste Scheiße folge und jedes Schicksal mit dir teile. Aber ich kann diese Leute nicht verarschen, nicht einmal, um uns beide zu retten. Selbst wenn du denkst, dass unser Überleben davon abhängt … ich werde es nicht tolerieren, dass du diese Menschen auslieferst.« »Was zur Hölle soll das heißen?«
    »Es heißt, dass du eine Menge Stoff zum Nachdenken hast«, versetzte Jean und stapfte davon.
    Kleine Gruppen von Matrosen kamen von der Orchidee herüber. Utgar rannte zu Locke, das Gesicht vor Aufregung gerötet; er führte eine Gruppe an, die mit Tauen und Fendern ausgerüstet war und dafür sorgen sollte, dass die beiden Schiffe längsseits blieben.
    »Bei den Heiligen Sieben Strömen, Ravelle, gerade haben wir gehört, was du mit den Erlösern angestellt hast!«, rief Utgar. »Der Leutnant hat es uns erzählt. Wahnsinn! Das hast du gut gemacht!«
    Locke blickte noch einmal zu Mal hinüber, dessen Leichnam am Großmast lehnte, und dann sah er Jean hinterher, der sich Delmastro mit ausgestreckten Händen näherte, um sie zu stützen. Ohne sich darum zu kümmern, wer ihn dabei beobachtete, schleuderte Locke seinen Säbel auf die Decksplanken, wo er mit der Spitze stecken blieb und zitternd hin und her wippte.
    »Oh ja«, erwiderte er bitter. »Anscheinend habe ich schon wieder gewonnen. Ein Hurra auf den Sieger!«
     

Kapitel Elf
    Wahrheiten und mehr
1
     
     
    »Bringt die Gefangenen nach vorn«, befahl Kapitän Drakasha.
    Es war Nacht, und die Giftorchidee lag unter einem mit Sternen übersäten Himmel vor Anker. Die Monde waren noch nicht aufgegangen. Drakasha stand an der Reling des Achterdecks, von hinten beleuchtet durch alchemische Lampen, eine Persenning wie ein Cape um die Schultern gehängt. Auf dem Kopf trug sie eine alberne Perücke aus Wolle, die vage an die zeremonielle Haartracht eines Verrari-Friedensrichters erinnerte. Vorne und achtern drängte sich die Besatzung auf dem Deck wie eine Ansammlung von Schatten, und mittschiffs standen auf einem kleinen, freien Platz die Gefangenen.
    Neunzehn Männer von der Roter Kurier hatten den Kampf auf der Eisvogel überlebt. Nun standen alle neunzehn, an Händen und Füßen gefesselt, in einem linkischen Haufen in der Kühl. Locke schlurfte hinter Jean und Jabril nach vorn. »Gerichtsdiener«, hob Drakasha an, »du hast uns da ein paar traurige Gestalten angeschleppt.«
    »Es sind tatsächlich traurige Gestalten, Euer Ehren.« Leutnant Delmastro erschien neben dem Käpt’n, in der Hand ein eingerolltes Blatt Pergament, auf dem Kopf eine ähnlich lächerliche Perücke.
    »Eine derart verweichlichte, schlappschwänzige Bande von räudigem Kötern habe ich noch nicht gesehen. Trotzdem werden wir sie wohl aufnehmen müssen.« »Ja, das müssen wir, Käpt’n.« »Welche Vergehen wirft man ihnen vor?«
    »Bei der Aufzählung ihrer Verbrechen kriegt man eine Gänsehaut.« Delmastro entrollte das Pergament und las mit lauter Stimme: »Diese Drecksäcke haben sich geweigert, die großherzige Gastfreundschaft des Archonten von Tal Verrar in Anspruch zu nehmen! Sie sind mutwillig aus der feudalen Unterkunft geflohen, die besagter Archont ihnen auf dem Amwind-Felsen in seiner unendlichen Güte zur Verfügung gestellt hat. Sie haben ein Schiff der Kriegsmarine gestohlen in der erklärten Absicht, es

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