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Sturm ueber roten Wassern

Sturm ueber roten Wassern

Titel: Sturm ueber roten Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Lynch
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… ist doch ganz natürlich, oder?«
    »Götter, spiel das jetzt bloß nicht so runter. Du weißt, dass du ein hervorragender Kämpfer bist. Übrigens wollte ich eigentlich etwas Geistreicheres von mir geben.« »Betrachte es als gesagt.« Jean kratzte sich am Bart und spürte ein wärmendes, willkommenes Prickeln in seinem Bauch aufsteigen. »Wir können uns ja beide verstellen und einfach so tun, als ob wir ein spritziges Bonmot nach dem anderen erfänden. Das ganze originelle Wortgeplänkel, das ich tagelang geübt habe, als ich in der Last auf den Fässern hockte, hat sich nämlich auch verflüchtigt.«
    »Du hast geübt?«
    »Tja, nun … dieser Jabril ist ein hochgebildeter Bursche, nicht wahr? Um ihn auf mich aufmerksam zu machen, musste ich ein bisschen intelligente Konversation betreiben.«
    »Was?«
    »Wusstest du nicht, dass ich nur auf Männer stehe? Großgewachsene, baumlange Kerle?«
    »Oooh, einmal habe ich dich schon zu Boden geschlagen, Valora, und wenn du mich weiter auf den Arm nimmst, dann …« »Ha! In deinem Zustand?«
    »Einzig und allein meinem Zustand hast du es zu verdanken, dass du noch lebst!«
    »Du würdest dich doch gar nicht trauen, mich vor der halben Besatzung zu misshandeln …«
    »Selbstverständlich würde ich mich trauen.«
    »Nun ja. Weißt du was – ich glaube dir.«
    »Sieh dir dieses herrliche, laute Chaos an. Wahrscheinlich würden sie es nicht mal merken, wenn ich dich in Brand steckte. Hölle, unten in der Hauptlast treiben es Pärchen so dicht an dicht, dass man nicht mal eine Speerspitze dazwischen schieben könnte. Wenn man heute Nacht wirklich Ruhe und Frieden finden will, muss man sich schon zwei-, dreihundert Yards vom Schiff entfernen.«
    »Nein, danke. Ich weiß nicht, wie man in der Haisprache ›hör auf, mich zu fressen‹ sagt.«
    »Dann sitzt du hier mit uns fest. Und wir haben lange genug darauf gewartet, euch endlich von der Schrubberwache zu erlösen.« Sie grinste zu ihm hinauf. »Heute Nacht lernt jeder jeden kennen.«
    Jean sah sie mit großen Augen an, ohne zu wissen, was er als Nächstes sagen oder tun sollte. Ihr Grinsen verschwand, und sie runzelte die Stirn.
    »Jerome, mache ich irgendwas falsch?«
    »Falsch? Wie meinst du das?«
    »Du rückst dauernd von mir ab. Nicht nur mit deinem Körper, sondern auch mit deinem Gesicht. Immerzu …«
    »Oh, zur Hölle!« Jean lachte, legte eine Hand auf ihre Schulter und grinste von einem Ohr zum anderen, als sie nach oben fasste, um seine Hand dort festzuhalten. »Ezri, an dem Tag, als wir zu euch rüberschwimmen mussten, um von euch an Bord genommen zu werden, verlor ich im Wasser meine Brille. Ohne Augengläser bin ich das, was man ›nahblind‹ nennt. Ich habe es wohl ganz unbewusst getan, aber ich bin immer ein Stück von dir zurückgewichen, um dich deutlich sehen zu können.«
    »Oh Götter«, flüsterte sie. »Das tut mir leid.«
    »Es braucht dir nicht leidzutun. Dich scharf zu sehen ist mir jede Mühe wert.«
    »Ich wollte nicht …«
    »Ich weiß.« Jean fühlte, wie der nervöse Druck in seinem Magen sich nach oben ausbreitete und seine Brust füllte; er holte tief Luft. »Hör mal, heute wurden wir beinahe getötet. Scheiß auf alles. Hast du Lust, mit mir zusammen was zu trinken?«

5
     
     
    »Sieh mal«, forderte Drakasha ihn auf.
    Locke stand an der Heckreling und starrte hinunter auf das phosphoreszierende Kielwasser, das eingerahmt vom Glanz zweier Hecklaternen hinter ihnen schäumte.
    Die Laternen waren glänzende Orchideen aus Glas, so groß wie sein Kopf, deren transparente Blütenblätter sich leicht dem Wasser zuneigten.
    »Götter«, flüsterte Locke erschauernd.
    Zwischen dem Kielwasser und den Laternen reichte das Licht gerade aus, um etwas zu sehen – einen langen, schwarzen Schatten, der unter der Spur aus schäumendem Wasser dahinglitt. Eine vierzig bis fünfzig Fuß lange, sehnige, unheimliche Kreatur, die sich im Kielwasser der Orchidee versteckte. Käpt’n Drakasha hatte einen Stiefel auf die Heckreling gestemmt, und auf ihrem Gesicht lag ein vergnügter Ausdruck.
    »Was zur Hölle ist das?«
    »Es gibt fünf oder sechs Möglichkeiten«, antwortete sie. »Es könnte ein Walwurm sein oder ein riesiger Teufelsfisch.« »Verfolgt er uns?« »Ja.«
    »Kann er uns … äh … gefährlich werden?«
    »Nun, wenn dir dein Trinkbecher ins Wasser fällt, spring nicht hinterher, um ihn rauszuholen.«
    »Sollte man nicht versuchen, dieses … Ding … mit ein paar Pfeilschüssen zu

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