Sturm ueber roten Wassern
Anonymus, gleichfalls aus Talisham.«
»Unter welchen Namen werden wir noch in Meraggios Büchern geführt?«
»Tja, Lukas Fehrwight und Evante Eccari sind für uns gestorben. Selbst wenn deren Konten nicht vom Staat konfisziert wurden, hat man ein wachsames Auge auf sie. Was glaubst du, wie die Spinne reagiert, wenn sie herausfindet, dass wir zwei in Tal Verrar aktiv sind?«
»Dieser Fall muss ja nicht eintreten«, wiegelte Locke ab. »Warte mal, lass mich nachdenken … Jerome de Ferra, Leocanto Kosta und Milo Voralin.«
»Das Konto, das auf Milo Voralin läuft, habe ich selbst eröffnet. Angeblich ist er Vadraner. Ich denke, den halten wir uns in Reserve.«
»Ist das alles, was wir noch haben? Drei Konten, auf die wir zurückgreifen können?«
»Ja, leider. Aber das ist immer noch mehr, als die meisten Diebe ihr Eigen nennen können. Ich werde Jerome sein.«
»Dann bin ich wohl Leocanto. Und was treiben wir so in Tal Verrar, Jerome?«
»Wir stehen im Dienst einer … Lashani-Komtesse. Sie hat die Absicht, in Tal Verrar ein Sommerhaus zu kaufen, und wir sollen eines für sie finden.«
»Hmmm. Für ein paar Monate würde das als Tarnung reichen, aber was ist, wenn wir uns sämtliche verfügbaren Immobilien angesehen haben? Wir müssen Schwerarbeit leisten, wenn wir verhindern wollen, dass man uns auf Anhieb als Schwindler entlarvt. Was hältst du davon, wenn wir uns als … Warenspekulanten ausgeben?«
»Warenspekulanten. Gute Idee. Das kann alles Mögliche bedeuten.«
»Exakt. Wenn wir unsere Zeit damit verbringen, uns in Spielkasinos herumzutreiben, nun ja, dann warten wir eben darauf, dass sich die Marktkonditionen verbessern.«
»Oder wir haben bereits so viel Profit eingeheimst, dass wir kaum noch zu arbeiten brauchen.«
»Eines ergibt sich aus dem anderen. Wir werfen uns nur noch die Bälle zu. Wie haben wir uns kennengelernt, und seit wann sind wir Geschäftspartner?«
»Vor fünf Jahren begegneten wir uns zum ersten Mal.« Jean kratzte seinen Bart. »Auf einer Seereise. Aus purer Langeweile taten wir uns zusammen. Und seitdem sind wir unzertrennlich.«
»Außer dass mein Plan vorsieht, deine Ermordung zu beschließen.«
»Klar, aber das weiß ich doch nicht, oder? Zechbruder! Ich habe nicht den leisesten Schimmer, was du gegen mich ausheckst!«
»Blödmann! Ich kann es kaum abwarten, dein Blut fließen zu sehen.«
»Und was machen wir mit der Beute? Angenommen, wir schaffen es, Requins Vertrauen zu gewinnen, den Coup wie geplant durchzuziehen, mit der kompletten Sore aus der Stadt herauszukommen … was kommt dann? Darüber haben wir noch gar nicht gesprochen.«
»Dann sind wir alte Diebe, Jean.« Angestrengt spähte Locke durch das Fenster und versuchte, in der regengepeitschten Landschaft Einzelheiten zu erkennen, während die Kutsche die letzte Kurve nahm und auf der langen, schnurgeraden Straße weiter rollte, die nach Tal Verrar hineinführte. »Wenn wir diesen Job erledigt haben, sind wir siebenundzwanzig oder vielleicht achtundzwanzig Jahre alte Diebe.
Über die Zeit danach habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Hättest du nicht Lust, ein Vicomte zu werden?«
»Lashain«, sinnierte Jean. »Du meinst, wir sollten uns Adelstitel kaufen? Und uns dort für immer niederlassen?«
»Ich bin mir nicht sicher, ob ich so weit gehen würde. Aber erst kürzlich hörte ich, dass man dort für ungefähr zehntausend Solari einen Titel aus dem niederen Adel erwerben kann, und wenn man höhersteigen will, muss man fünfzehn- bis zwanzigtausend springen lassen. Wir hätten eine Heimat und ein bisschen Einfluss. Von dort aus könnten wir alles Mögliche unternehmen. Noch mehr Ränke schmieden. In aller Gemütlichkeit und mit jedem erdenklichen Komfort umgeben alt werden.«
»Wir sollen uns zur Ruhe setzen?«
»Wir können nicht unser Leben lang Trickbetrüger bleiben, Jean. Ich denke, wir beide wissen das. Früher oder später müssen wir uns auf eine andere Art von Kriminalität verlegen. Lass uns hier ordentlich absahnen und das Geld sinnvoll anlegen. In etwas Nützliches investieren. Wir könnten zum Beispiel etwas aufbauen. Egal, was sich daraus ergibt … na ja, dieses Schloss knacken wir, wenn wir davor stehen.«
»Vicomte Anonymus Inkognito von Lashain – und sein Nachbar, Vicomte Inkognito Anonymus. Es wäre nicht das Schlechteste, was uns passieren könnte.«
»In der Tat – Jerome. Was ist, bist du dabei?«
»Selbstverständlich, Leocanto. Das weißt du doch. Wenn ich noch zwei
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