Sturm ueber roten Wassern
schreckliches Missverständnis gegeben.«
2
»Ungh gah ah«, war alles, was Locke herausbrachte, während er sich zu erinnern versuchte, wie seine Knie funktionierten. Sein Mund fühlte sich so trocken an, als hätte man ihn mit Mehl vollgestopft.
Starke, kühle Hände streckten sich ihm entgegen und halfen ihm beim Aufstehen; der Raum drehte sich um ihn, als er und Jean in die erquickende Frische des Korridors zurückgebracht wurden. Abermals waren sie umringt von blauen Wämsern und Bronzemasken, aber Locke blinzelte in der Helligkeit und verspürte eher Scham als Angst. Er wusste, dass er verwirrt war, beinahe so, als wäre er betrunken, doch er war nicht in der Lage, dagegen anzukämpfen. Man schleppte ihn durch Flure und Treppen hinauf (Treppen! Bei den Göttern! Wie viele Treppenfluchten gab es in diesem verdammten Palast?), wobei seine Beine nur gelegentlich sein volles Körpergewicht tragen mussten. Er kam sich vor wie eine Marionette in einer grausamen Komödie mit einer ungewöhnlich großen Kulisse. »Wasser«, stieß er mühsam hervor.
»Gleich«, erwiderte einer der Soldaten, die ihn stützten. »Es dauert nicht mehr lange.« Endlich bugsierte man ihn und Jean durch eine hohe, schwarze Tür in ein matt beleuchtetes Zimmer; die Wände schienen aus Abertausenden von winzigen Glaszellen zu bestehen, in denen kleine Schatten flackerten. Locke zwinkerte und verwünschte seine Schwäche; er hatte Seeleute erzählen hören, was es mit dem »Trockenschwips« auf sich hatte, diesem Zustand der Blödheit, Erschöpfung und Gereiztheit, in den Menschen verfielen, die zu lange nichts getrunken hatten. Doch er hätte nie damit gerechnet, ein durch Durst hervorgerufenes Delirium am eigenen Leib zu erfahren. Es machte alles so unwirklich; höchstwahrscheinlich verklärte es ganz banale Dinge in einem ganz gewöhnlichen Raum.
In dem Zimmer standen ein kleiner Tisch und drei einfache Holzstühle. Dankbar wollte Locke auf eines diese Sitzmöbel zusteuern, doch die Soldaten, die seine Arme umklammerten, ließen es nicht zu und verhinderten gleichzeitig, dass er vor Ermattung umkippte.
»Sie müssen warten«, beschied ihm einer seiner Bewacher.
Lange brauchte er sich jedoch nicht zu gedulden; nur wenige Augenblicke später öffnete sich eine weitere Tür. Ein Mann in einem langen, mit Pelz besetzten Gewand von der dunkelblauen Farbe der Tiefsee kam hereingerauscht, offenkundig in großer Erregung.
»Mögen die Götter den Archont von Tal Verrar beschützen«, deklamierten die vier Soldaten im Chor.
Maxilan Stragos, dämmerte die Erkenntnis in Lockes benebeltem Verstand, der bei allen Göttern verdammte oberste Kriegsherr von Tal Verrar.
»Um der Barmherzigkeit willen, lasst diese Männer nicht länger stehen. Sie sollen sich hinsetzen«, salbaderte der Archont. »Wir haben ihnen bereits ein großes Unrecht zugefügt, Schwert-Präfekt. Nun sollten wir ihnen jede nur erdenkliche Höflichkeit angedeihen lassen. Schließlich … sind wir keine Camorri.«
»Selbstverständlich, Archont.«
Hurtig setzte man Locke und Jean auf die Stühle. Als die Soldaten einigermaßen sicher waren, dass sie nicht sofort wieder herunterfallen würden, rückten sie ab und bezogen hinter ihnen Stellung. Gereizt wedelte der Archont mit der Hand. »Wegtreten, Schwert-Präfekt.« »Aber … Euer Ehren …«
»Raus hier! Sie haben mir schon Schande genug bereitet, indem Sie meine klaren Anweisungen bezüglich dieser Herren außer Acht ließen. Als Folge davon sind sie gar nicht in der Verfassung, mich zu bedrohen.« »Aber … jawohl, Archont.«
Der Schwert-Präfekt machte eine steife Verbeugung, die die drei anderen Soldaten nachahmten. Dann verließen die vier hastig den Raum, und als sie die Tür hinter sich zuzogen, höre man das umständliche Klicken und Schnappen eines mechanischen Schlosses.
»Meine Herren«, wandte sich der Archont an die beiden Diebe, »ich bitte vielmals um Entschuldigung. Meine Anordnungen wurden falsch ausgelegt. Ich gab den Befehl, Sie korrekt zu behandeln. Stattdessen brachte man Sie in die Schwitzkammer, die für Kriminelle der gemeinsten Sorte vorgesehen ist. Ich kann mich darauf verlassen, dass meine Allsehenden Augen sich in einem Kampf gegen eine Übermacht von eins zu zehn behaupten, in dieser simplen Angelegenheit jedoch haben sie mich blamiert. Ich übernehme die volle Verantwortung. Bitte verzeihen Sie dieses Versehen, und erweisen Sie mir die Ehre, Ihnen eine angemessenere Form der
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