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Sturm ueber roten Wassern

Sturm ueber roten Wassern

Titel: Sturm ueber roten Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Lynch
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sehr ernst, Madam. Aber könnten wir vielleicht Ihre Rolle auf ein absolutes Mindestmaß beschränken? Indem Sie mir zum Beispiel nur ein Grundschema des Verriegelungsmechanismus geben, nichts Detailliertes, bloß einen groben Überblick? Etwas, das man nie zu Ihnen zurückverfolgen könnte?«
    »Sie haben nicht richtig zugehört.« Sie schüttelte den Kopf und deutete auf das Fenster zur Linken. »Ich möchte Ihnen noch eine Frage stellen, Meister de Ferra. Wenn Sie aus diesem Fenster schauen, sehen Sie da Tal Verrar?«
    Jean trat vor, um durch die Glasscheibe zu spähen. Der Blick ging nach Süden, über die Westspitze des Kunsthandwerker-Rings, den Hafen mit seinen Liegeplätzen und dem glitzernden, silberweißen Wasser der Schwert-Marina. Dort lag die Flotte des Archonten vor Anker, geschützt durch hohe Mauern und Katapulte.
    »Eine herrliche Aussicht«, meinte er.
    »Nicht wahr? Nun, in der Angelegenheit, wegen der Sie mich aufgesucht haben, ist mein letztes Wort gesprochen. Sagen Sie, kennen Sie sich mit Gegengewichten aus?«
    »Ich wüsste nicht, dass ich jemals …« In diesem Moment zog die Gildemeisterin an einer der Lederschnüre, die von der Decke hingen.
    Dass sich der Boden unter seinen Füßen aufgetan hatte, merkte Jean erst, als die Aussicht auf Tal Verrar plötzlich zur ’ecke emporzuschießen schien; hastig versuchten seine Sinne, sich einen Reim darauf zu machen, und für den Bruchteil einer Sekunde reagierten sie verwirrt, bis sein Magen ihm durch Übelkeit signalisierte, dass die Aussicht sich nicht bewegte.
    Er fiel durch den Boden und knallte auf eine harte Plattform, die an vier eisernen, an den Ecken befestigten Ketten unter Gallardines Haus hing. Sein erster Gedanke war, es müsse sich um eine Art Lift handeln – und dann sauste das Ding auch schon auf die rund vierzig Fuß tiefer gelegene Straße hinab.
    Die Ketten rasselten, und der starke Luftstrom zischte über ihn weg; auf dem Bauch liegend stürzte er in die Tiefe und klammerte sich entsetzt mit beiden Händen an die Plattform. Dächer, Karren und Pflastersteine rasten ihm entgegen, und er wappnete sich für den schmerzhaften Aufprall – der jedoch nicht kam. Verblüffend reibungslos verlangsamte sich die Plattform … statt den sicheren Tod zu erwarten, rechnete er nur noch mit einer möglichen Verletzung, und dann fühlte er sich nur noch blamiert. Die Talfahrt endete wenige Fuß über der Straße, die Ketten links von Jean blieben gestrafft, während die beiden anderen durchsackten. Mit einem Ruck kippte die Plattform zur Seite und beförderte ihn wie einen nassen Sack auf das Pflaster. Er setzte sich aufrecht hin und holte dankbar Luft; die Straße drehte sich ein bisschen um ihn. Mit einem Blick nach oben sah er, dass die Plattform geschwind in ihre frühere Position zurückglitt. Kurz bevor sie sich wieder in den Boden des Hauses einfügte, purzelte etwas Kleines, Glänzendes durch die Falltür. Jean konnte gerade noch ausweichen und das Gesicht mit den Händen bedecken, ehe sich die Fontäne aus Glassplittern und Likör, die von der explodierenden Flasche mit dem Kognakverschnitt hochspritzte, über ihn ergoss.
    Während er sich fluchend und mit großen Augen wieder aufrappelte, wischte er sich den kostbaren Weiße-Pflaumen-Austershalin aus den Haaren. »Guten Tag. Halt, warten Sie, sagen Sie nichts. Lassen Sie mich raten. Die Gildemeisterin hat Ihren Vorschlag abgelehnt?«
    Immer noch benommen, entdeckte Jean einen lächelnden Bierverkäufer, der keine fünf Schritte von ihm entfernt an der Wand eines verriegelten, zweistöckigen Gebäudes lehnte. Was sich in dem Haus befinden mochte, war nicht zu erkennen, da es keinerlei Schild oder Kennzeichnung trug. Der Kerl glich einer von der Sonne verbrannten Vogelscheuche; er trug einen breitkrempigen Lederhut, der vor Alter so schlaff und speckig war, dass er ihm fast bis auf die knochigen Schultern hing. Mit den Fingern einer Hand trommelte er auf einem großen Fass auf Rädern herum, an dem mit langen Ketten mehrere Holzhumpen befestigt waren.
    »Hmm, etwas in der Art«, brummte Jean. Eine Axt rutschte aus seinem Rock und landete klappernd auf den Pflastersteinen. Mit hochrotem Kopf bückte er sich, hob sie auf und ließ sie wieder unter seiner Kleidung verschwinden.
    »Sie können ruhig sagen, dass ich auf meinen eigenen Vorteil bedacht bin, ich bin der Erste, der Ihnen recht gibt, aber Sie sehen mir aus wie ein Mann, der dringend etwas zu trinken braucht. Allerdings keine

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