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Sturm ueber roten Wassern

Sturm ueber roten Wassern

Titel: Sturm ueber roten Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Lynch
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für Sie beide einen Job gefunden hat.«
    Jean wandte sich kurz um, warf einen flüchtigen Blick auf die Leichen, die sie bereits ein gutes Stück hinter sich gelassen hatten, und hüstelte in die vorgehaltene Hand.
    »Herrlich«, brummte er. »Bis vor Kurzem war hier alles so langweilig und unkompliziert.«
     

R ückblick
    Der Vergnügungskrieg
1
     
     
    Wenn man von Tal Verrar aus auf der Küstenstraße sechs Tage lang in Richtung Norden reist, gelangt man in die Demi-Stadt Salon Corbeau, die in einer ungewöhnlich grünen Senke im ansonsten aus schwarzen Felsen bestehenden Küstengebirge liegt.
    Etwas mehr als ein privates Anwesen, nicht ganz ein administratives Dorf, führt die Demi-Stadt ein eigenwilliges Leben im glosenden Schatten des Mount Azar.
    Zur Zeit des Theriner Throns explodierte der Azar, und die von ihm ausgespienen glühenden Massen begruben drei blühende Ortschaften mit insgesamt tausend Seelen unter sich -und das innerhalb weniger Minuten. Dieser Tage scheint der Berg sich damit zufriedenzugeben, finster vor sich hin zu brüten und tief zu grollen; er schickt sich windende, dunkelgraue Rauchfahnen aufs Meer hinaus, und unter den Qualmwolken des müden alten Vulkans ziehen Schwärme von Raben unbekümmert ihre Kreise. Hier beginnen die heißen, staubigen Ebenen, die Adra Morcala, die kaum bewohnt und von niemandem geliebt werden. Sanft gewellt erstrecken sie sich wie ein trockenes, schrundiges Meer bis hin zur Südgrenze von Balinel, dem westlichsten und ödesten Kanton des Königreichs der Sieben Ströme.
    Locke Lamora erreichte Salon Corbeau am neunten Tag von Aurim, im Achtundsiebzigsten Jahr von Nara. Ein milder, westlicher Winter. Ein erfolgreiches Jahr (und mehr) war vergangen, seit er und Jean zum ersten Mal Tal Verrar betreten hatten, und in der gepanzerten Geldkassette hinten in Lockes Mietkutsche klapperten tausend Goldsolari, die sie einem gewissen Lord Landreval von Espara, der ungewöhnlich empfindlich auf Zitronen reagierte, beim Billard abgeluchst hatten.
    In dem kleinen Hafen, der zu der Demi-Stadt gehörte, herrschte ein Durcheinander von kleinen Wasserfahrzeugen -Yachten, Vergnügungsschiffe, Küstenboote mit seidenen Rahsegeln. Weiter draußen auf dem offenen Meer lagen eine Galeone und eine Slup vor Anker; jedes Schiff hatte den Wimpel von Lashain gesetzt, doch unter Familienwappen und Farben, die Locke nicht erkannte. Es wehte eine leichte Brise, und hinter den Rauchschleiern, die der Berg ausatmete, schien eine blasse, eher silbern als golden schimmernde Sonne.
    »Willkommen in Salon Corbeau«, grüßte ein Lakai in einer schwarz und olivgrünen Livree, der auf dem Kopf einen Zylinder aus schwarzem gepresstem Filz trug. »Wie lautet Ihr Titel, und wie wünschen Sie angekündigt zu werden?«
    Eine Frau in Livree stellte einen Holzblock unter die offene Tür von Lockes Kutsche, und er trat hinaus. Ehe er auf den Boden sprang, stemmte er die Hände in die Taille und streckte sich erleichtert. Er trug eine schwarzgeränderte Brille, einen schwarzen Schnurrbart mit herunterhängenden Spitzen, und das schwarz gefärbte Haar hatte er glatt nach hinten gekämmt; der dicke schwarze Rock lag an Brust und Schultern eng an, bauschte sich jedoch von der Taille abwärts bis zu den Knien und wehte wie ein Cape hinter ihm her. Auf die vornehmeren halblangen Beinkleider und Schuhe hatte er verzichtet und sich stattdessen für graue lange Hosen entschieden, die in kniehohen, schmalen Stiefeln steckten, mattschwarz unter einer dünnen Schicht Straßenstaub.
    »Ich bin Mordavi Fehrwight, ein Kaufmann aus Emberlain«, stellte er sich vor. »Da ich keinen nennenswerten Titel führe, erübrigt sich wohl eine Ankündigung meiner Person.«
    »Sehr wohl, Meister Fehrwight«, erwiderte der Lakai höflich. »Lady Saljesca ist erfreut, dass Sie Salon Corbeau einen Besuch abstatten, und sie wünscht Ihnen mit Ihren Geschäften ein gutes Gelingen.«
    »Ist erfreut, dass Sie Salon Corbeau einen Besuch abstatten«, vermerkte Locke. Und nicht »wäre hoch beglückt, Ihre Bekanntschaft zu machen«. Die Gräfin Vira Saljesca von Lashain war die uneingeschränkte Herrscherin über Salon Corbeau; die Demi-Stadt war auf einem ihrer Güter erbaut worden. Gleich weit entfernt von Balinel, Tal Verrar und Lashain, gerade außerhalb ihres Machtbereichs, stellte Salon Corbeau eine Art autonomer Erholungsstätte für die Reichen der Messingküste dar.
    Außer dem ständigen Strom von Kutschen, die auf den

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