Sturm über Sylt
wird sie seitdem gepflegt.«
Als sie das Tor zum Vorgarten öffnete, sagte Aletta: »Nach dem Krieg werde ich heiraten. Ludwig hat geschrieben, dass er mir einen Antrag machen wird, wenn er zurück ist.«
Insa veränderte ihren Schritt nicht, sie ging aufrecht und mit langsamen großen Schritten weiter und grüßte eine entgegenkommendeFrau mit »Moin!«, ehe sie antwortete: »Die Hochzeit soll hoffentlich nicht auf Sylt stattfinden. Ich will damit nichts zu tun haben.«
VI.
Sylter Kriegsblatt: Die letzte Festung von Lüttich ist eingenommen! Mit nur 117 000 Mann konnte die belgische Armee den deutschen Vormarsch nicht lange aufhalten! Um 14 Uhr hisste die Stadt Lüttich die weißen Fahnen. Nur zwei Tage haben die Deutschen durch die belgische Verteidigung der Stadt verloren. Nun beginnt der Vormarsch durch Zentralbelgien nach Westen!
Das erste »Kriegsblatt« war ins Haus geflattert, die Sylter sollten so früh wie möglich die neuesten Nachrichten lesen.
»Von nun an werden wir regelmäßig damit beliefert«, sagte Insa verächtlich. »Damit wir früh genug erfahren, wie siegreich unsere Soldaten sind! Was interessiert es mich, was die in Belgien machen. Was hier auf Sylt passiert, ist das Einzige, was zählt.«
Aber auf Sylt passierte nichts. Ein Infanterieregiment aus Lübeck und einige Batterien eines Feldartillerie-Regiments aus Itzehoe übernahmen anfangs den Schutz der Insel, doch sie sollten bald durch Landwehreinheiten ersetzt werden, die aus Syltern bestanden, die sich auf ihrer Insel auskannten, die auf Sylt geboren und aufgewachsen waren, die entweder die Insel nie verlassen hatten oder nun zurückgeholt wurden. Die Kompanien bezogen ihre Stellungen in List und Hörnum, um die Häfen zu schützen. Dort und auch auf dem Ellenbogen, in der Vogelkoje, im Klappholttal und in Rantum wurden Barackenlager aus dem Boden gestampft, wobei die Männer helfen mussten, die nicht wehrtauglich oder aus anderen Gründen nicht eingezogen worden waren. Die Reserve- und Versorgungseinheiten, die Stäbe und Kommandanturen dagegen wurden in den Unterkünftenuntergebracht, die von den Badegästen geräumt worden waren. Sämtliche Hotels, Pensionen und die Kinderheime standen ihnen zur Verfügung. Das Lazarett wurde in der Westerländer Mittelschule eingerichtet. Für den Fall, dass die Räume nicht ausreichten, wurde dafür auch das Hanseatische Genesungsheim in der Norderstraße requiriert, im Kurhaus wurde die Militärdienststelle einquartiert und das gesamte Hotel »Zum Deutschen Kaiser« von der Kommandantur belegt.
Die Inselwache wurde außer mit Waffen zunächst nur mit Armbinden und Feldmützen ausgestattet, Uniformen wurden erst später geliefert. Auch sonst waren die Männer schlecht ausgerüstet. Nur halb so viele Decken wie benötigt wurden auf der Insel aufgetrieben, außerdem fehlte das notwendige Holz für die Artillerie. Bald sprach sich auch herum, dass versäumt worden war, für den Kriegsfall einen Wirtschaftsplan aufzustellen. Als sich herausstellte, dass niemand die Bevorratung von Konservendosen, Holz, Kohle, Petroleum und Öl veranlasst hatte, war das Seebad Westerland bereits geschlossen worden.
Das Betreten des Strandes und der Dünen war von da an verboten, in den Dünen selbst wurden Schützengräben ausgehoben, und die Soldaten fingen an, rund um Sylt einen Minengürtel anzulegen. Auch sämtliche Leuchtfeuer wurden zum Schutz der Insel gelöscht. Die Westerländer Plattform durfte nach Einbruch der Dunkelheit nicht mehr von Zivilpersonen betreten werden. Sämtliche Strandburgen wurden zerstört und alle Fähnchen, die von Kinderhand aufgesteckt worden waren, entfernt. Die Inselwache hätte womöglich von ihnen irritiert werden können.
Auch auf der Wattseite schuf das Militär klare Verhältnisse: Die Fischerei wurde verboten. Und fremden Personen war von nun an der Zutritt zur Insel nicht mehr gestattet. Nur in Ausnahmefällen durfte jemand einreisen. Dann musste er diese Reise begründen und der Inselkommandantur einen polizeilichen Ausweis und eine politische Unbedenklichkeitsbescheinigung vorlegen.
In die Pension Lornsen wurden zwei Soldaten einquartiert, Hauptmann Augustin Hütten und Leutnant Robert Fritz, die für die Organisation und Versorgung der Inselwache zuständig waren. Hütten war ein großer, kräftiger Mann von Anfang vierzig, ein vierschrötiger Bremer, der den Krieg akzeptierte wie eine schlechte Mahlzeit, die er dennoch hinunterschlingen würde, weil sie ihn
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