Sturmfahrt der Liebe: Er war der König der Meere - und sie die Herrscherin seines Herzens (German Edition)
zurückziehe.«
Er reichte ihr die Hand. »Dann gehen Sie mit mir.«
Sie nahm seine Hand und schloss für einen kurzen Moment die Augen, als seine warmen rauhen Finger sich um ihre legten. Wie Lord Rudolph sich ausgedrückt hatte, sollte man meinen, der Captain würde sich ihr aufdrängen. Aber wie konnte sie ihm auch erklären, dass sie selbst sich dem Captain in die Arme geworfen und um seine Küsse und seine Zärtlichkeiten gebettelt hatte? Sie konnte einfach nicht anders!
Er führte sie am Hauptmast vorbei zu der kurzen Leiter, über die man in die Offiziers- und Passagierkabinen gelangte.
Evangeline blieb stehen. »Ich dachte, wir würden spazieren gehen.«
»Tun wir auch. Wir spazieren zu Ihrer Kabine.«
»Warum? Damit Sie mich einsperren können?«
»Nein. Ich möchte mit Ihnen reden.«
»Und das können wir nicht, solange wir über Deck gehen?«
»Nein.«
Sie gab auf. Sobald sie aus dem Wind kamen, wirkte alles befremdlich still. In der Offiziersmesse saß Lornham am Tisch, ein Glas Wein in der einen, ein Buch in der anderen Hand.
»Mr. Lornham.«
Der Steuermann sprang so hastig auf, dass er beinahe seinen Wein verschüttete. »Sir?«
»Wo ist Wittington?«
»Lord Rudolph, Sir? Er, ähm, ja, ich habe ihn gesehen. Ich glaube, er ist zum Vorschiff gegangen.«
»Zum abendlichen Kartenspiel also. Warum gesellen Sie sich nicht zu ihm?«
Lornham schüttelte den Kopf. »Ich spiele nicht, Sir.«
»Dennoch könnten Sie mitwetten.«
»Ich wette auch nicht, Sir. Glücksspiel ist ein Laster.«
Austin bedachte ihn mit einem Blick, der Lornham prompt erröten ließ. »Aber ich könnte, ähm – ein bisschen über Deck schlendern. Das Wetter ist schön.«
Ohne zu warten, bis Austin ihn wegschickte, salutierte er, klemmte sich sein Buch unter den Arm und eilte nach oben.
Austin sah ihm nach, ehe er die Tür zu Evangelines kleiner Kabine öffnete und ihr bedeutete hineinzugehen.
Folgsam trat sie ein. In dem engen Raum fühlten sich die Schiffsbewegungen heftiger an als draußen. Der Boden hob und senkte sich, so dass Evangeline sich am Bettpfosten festhalten musste. Austin stützte eine Hand in den Türrahmen, schien allerdings keinerlei Probleme zu haben, das Gleichgewicht zu halten. Dieser Mann war ein einziges Ärgernis!
»Tja, hier bin ich, Captain. Ich stehe Ihren Leuten nicht mehr im Weg, auch wenn ich zugebe, dass mir nicht ganz verständlich ist, warum Sie Lornham wegschickten, denn ihm dürfte ich wohl kaum im Weg gewesen sein.«
»Ich wollte unter vier Augen mit Ihnen sprechen.«
Er machte einen Schritt in die Kabine hinein, und unwillkürlich trat Evangeline ein Stück zurück, so dass sie halb unter der Deckenwölbung stand.
Während sein Blick von ihrem Gesicht über ihren Körper wanderte, hielt sie den Bettpfosten so fest umklammert, dass sich ein Splitter in ihren Finger bohrte.
»Meine Ehe war ein Desaster«, begann er.
Evangeline ließ den Pfosten los und sog an ihrem Finger. »Ich weiß, dass Ihre Frau starb. Mr. Seward hat es mir erzählt. Das tut mir leid.«
»Unsere Ehe war schon vorher gescheitert. Ich hatte bereits die Trennung erwirkt.«
»Aha?« Eine Trennung hieß, dass sie nur noch dem Namen nach verheiratet gewesen waren, er ihr den Unterhalt gezahlt, aber nicht mehr mit ihr zusammengelebt hatte. Obwohl eine Trennung bei weitem nicht so anrüchig war wie eine Scheidung, wurde sie in der Gesellschaft nicht gut aufgenommen.
»Sie hasste mein Leben und alles, was damit zusammenhing. Und sie hasste mich. Ich habe versucht …« Er verstummte und sah auf den Türrahmen.
»Das muss sehr schmerzlich für Sie gewesen sein«, sagte Evangeline leise. »Sie müssen Sie schließlich geliebt haben.«
Er fuhr fort, als hätte er sie gar nicht gehört. »Diesmal wird alles anders sein. Ich werde nicht mehr zur See fahren, sondern in Boston leben. Meine Frau wird mich jeden Tag sehen, genau wie die Frau eines Bankiers oder eines Anwalts. Meine Tage werden einen geregelten Ablauf haben, meine Gewohnheiten verlässlich sein. Meine Frau wird sich jeden Abend mit mir zum Essen setzen, jeden Morgen mit mir aufstehen und jede Nacht mit mir schlafen gehen. Sie bleibt nicht monatelang allein, muss sich nicht fragen, ob das Schiff untergegangen ist und die See mich verschlungen hat. Wir werden an Sonntagen gemeinsame Spaziergänge im Park machen, an Samstagen Spiele ansehen und den Vikar besuchen.«
»Werden Sie das?«
»Ja, werden wir.«
Ihr Mund wurde unangenehm trocken.
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