Sturmfahrt der Liebe: Er war der König der Meere - und sie die Herrscherin seines Herzens (German Edition)
krängte wieder. Der Regen stach ihr ins Gesicht und mischte sich mit ihren Tränen.
Seward brüllte Befehle wie ein alter Seebär mit zwanzig Jahren Kommandoerfahrung, und die Männer gehorchten ihm aufs Wort.
Evangeline beugte sich so weit über die Reling, wie sie konnte, sah jedoch nichts außer dunklen rollenden Wellen. Nirgends ragte ein Kopf aus dem Wasser.
Lord Rudolphs Stimme war ganz nahe an ihrem Ohr. »Sie finden ihn! Sie lassen schon Boote hinunter.«
»Das dauert zu lange!«, schluchzte sie verzweifelt.
»Evangeline, verdammt, wagen Sie ja nicht, ihm nachzuspringen!«
Sie klammerte sich an die Reling. Weit unten hüpften Taue auf der Wasseroberfläche, die von den Matrosen geworfen worden waren. Ein Ruderboot, an dessen Seiten Laternen baumelten, wurde nach unten gelassen.
Und dann sah sie ihn. Das Schiff hatte gewendet, und er tauchte weit steuerbords auf. Von dort konnte er unmöglich an die Seile gelangen. Sie hatte ihn nur sehen können, weil er in einer Gischtkrone aufgetaucht war, die von einer der Laternen beleuchtet wurde.
»Da!«, schrie sie.
Seward brüllte: »Hart steuerbord! Bringt das Boot ins Wasser!«
Das Ruderboot landete wippend auf den Wellen. Zwei Männer kletterten rasch hinunter und begannen, hektisch dorthin zu rudern, wo Evangeline hingezeigt hatte.
Tief unten schwamm Austin, der beständig weiter vom Schiff abgetrieben wurde. Dann überspülte ihn eine große Welle, und er war fort.
Albright, verdammt, Junge, wo steckst du? Austin tauchte wieder auf und holte Luft. Sein Brustkorb schmerzte. Es war ein Wahnsinn, ihn in dieser Tintenbrühe finden zu wollen. Albright konnte sonstwohin geschwommen oder unter Wasser gezogen worden sein.
Austin tauchte und griff blind um sich. Er konnte nur beten, dass Gott und das Glück ihm halfen. Als er wieder nach oben kam, drang von fern der Tumult an Bord zu ihm herüber. Sie versuchten, zu ihm zu kommen. Das Wasser war so eiskalt, dass seine Glieder bereits taub wurden. Was für ein Irrsinn, hinter dem Jungen herzuspringen!
Egal, wie sehr seine Männer sich bemühten, sie würden Albright nicht mehr rechtzeitig erreichen, denn dieser hatte beschlossen, dass der Tod in den Wellen besser war, als denjenigen zu verraten, der ihn in Austins Kajüte geschickt hatte.
Verdammt, verdammt, verdammt! Austin kraulte durch das schwarze Wasser und tastete um sich – nach einem Körper, nach schlenkernden Armen oder Beinen, nach irgendetwas, das er packen konnte. Wieder tauchte er auf, um Luft zu holen. Sogleich überrollte ihn eine Welle. Das Meer zog ihn nach unten, bevor er bereit war, so dass er einen ganzen Schwall Wasser in den Mund bekam. Er kämpfte sich erneut nach oben. Eine weitere Welle trug ihn zur Seite, aber immerhin gelangte er an die Oberfläche. Er hustete und keuchte noch, da fühlte er, wie etwas nach ihm trat.
Austin griff hin und erwischte eine Handvoll Stoff. Gierig atmete er ein und tauchte wieder unter. Nachdem er mehr von der Jacke gepackt hatte, versuchte er, Albrights Kopf über Wasser zu bringen.
Der junge Mann war noch am Leben und leider auch bei Kräften. Er wehrte sich zappelnd. Dennoch hielt Austin ihn beharrlich fest und brachte sie beide nach oben. Plötzlich schlang Albright einen Arm um Austins Hals und zog ihn nach unten.
Gemeinsam sanken sie wieder in die dunkle Tiefe. Albright kämpfte wie ein Wahnsinniger. Während Austin versuchte, ihn zu retten, wollte Albright ihrer beider Tod. Immer fester umklammerte er Austins Hals und zog ihn tiefer und tiefer, weg von der Wasseroberfläche.
Austins Lunge brannte und bettelte um Sauerstoff. Er wusste, dass er gleich nicht mehr in der Lage wäre, den Atemdrang zu beherrschen, und ein einziger Atemzug unter Wasser genügte, um ihn zu töten.
Kurzentschlossen holte er mit dem Ellbogen aus und rammte ihn Albright in die Leistengegend. Der Junge krümmte sich und lockerte dabei seinen Griff. Austin kickte sie beide an die Oberfläche. Er war gerade oben und riss den Mund auf, als Albrights Arm sich fester um seinen Hals legte und ihn wieder nach unten zog.
Grünlich-schwarzes Wasser schlug ihm entgegen. Seine Lunge fühlte sich inzwischen an, als stünde sie in Brand, seine Beine wurden schwächer und taub. Derweil hielt Albright ihn weiter fest. Sie sanken, weg von der Luft, weg aus dem Leben.
Austin hatte dem Tod schon früher ins Auge gesehen. In seiner langen Laufbahn hatte die See ihn ein Dutzend Male holen wollen. Ein Dutzend Male, doch er hatte sich
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