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Sturmflut mit Schokoladenengel

Sturmflut mit Schokoladenengel

Titel: Sturmflut mit Schokoladenengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dora Tauer
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und knurrte etwas von Anfängern, Führerschein bei eBay und ähnliches. Irgendwie wirkte er kleinlauter, als er aussah.
    „Stehen Sie halt früher auf, wenn Sie’s so tierisch eilig haben!“, fuhr ich ihn an. Aus dem Stau hinter seinem Golf hupte es in allen Tonlagen, und überall gingen die Fenster auf.
    „Ist ja gut, ist ja gut!“ Er hob die Handflächen, signalisierte Frieden.
    „Nichts ist gut!“ So schnell geht das nicht bei mir, wenn ich mal auf hundertachtzig bin. „Haben Sie noch nie Ihren Wagen abgewürgt?“
    „Sicher ...“ Das Gesicht des Golffahrers verzog sich zu einem verlegenen Grinsen. „Ist doch nichts passiert, oder? Steigen Sie halt ein und ...“
    „Nichts passiert? Sie haben mich gerammt! Was glauben Sie, was für’n Schreck ich gekriegt hab’!“
    „Tut mir echt leid“, sagte er. Wie ein ertappter Junge sah er plötzlich aus, und meine Wut verrauchte allmählich. Demonstrativ stellte ich mich hinter seinen Golf und notierte wenigstens noch das Kennzeichen. Das Hupkonzert war eine Pracht.
    Noch einen bösen Blick für den Schönling im Golf, dann zurück in meinen Corsa. Es war Grün, doch ich ließ mir Zeit. Als die Ampel von Grün auf Gelb sprang, legte ich einen Blitzstart hin.
    Zwanzig Minuten zu spät hastete ich an diesem Morgen in die Praxis. Mein Chef runzelte die Stirn; war er nicht gewohnt von mir. „Kleiner Auffahrunfall“, murmelte ich. „Zum Glück nicht mal Blechschaden.“
    So fing die Geschichte an.

    *

    Am Montag drauf rief der Chef mich am frühen Abend ins Behandlungszimmer. Der Feierabend stand im Startloch, der letzte Patient lag im Stuhl. Ein dunkelblonder Mann, halblanges, lockiges Haar, Ohrringe ohne Ende – wie angewurzelt blieb ich im Türrahmen stehen: Der Brad-Pitt-Verschnitt aus dem schwarzen Golf!
    Ich atmete tief durch, ging zum Tisch, warf einen Blick in seine Karte: Mike hieß er mit Vornamen, zweiunddreißig, Werbefachmann, zum ersten Mal in der Praxis. Ein kühles „Guten Tag“ – mehr gönnte ich ihm nicht. Und keinen Blick zuviel.
    Ich ordnete die längst geordneten Instrumente. Wir schwiegen, er grinste verlegen; ich versuchte, ihn zu ignorieren.
    Mein Chef kam herein. „Schmerzen?“
    Brad Pitt nickte. „Oben im rechten Backenzahn.“
    Die Untersuchung dauerte keine drei Minuten. „Glückwunsch“, sagte mein Chef. „Ich habe schon lange kein derart gesundes Gebiss mehr gesehen. Wahrscheinlich ein Nervenschmerz. Kommt vor.“ Er wies mich an, den Zahnstein zu entfernen und verabschiedete sich.
    Ich schliff den Zahnbelag ganz besonders gründlich ab. „Es gibt vierzig bis fünfzig Zahnärzte in dieser Stadt. Zufall?“
    „Mhh, mhh“, röchelte er. „Nein“, sollte das wohl heißen.
    „Woher wissen Sie, wo ich arbeite?“
    „Privatdetektiv.“ Er spülte den Mund aus „Tut mir echt leid, dass ich Sie letzte Woche vor der Ampel geärgert habe.“ Er stieg vom Behandlungsstuhl. „Haben Sie heute Abend schon etwas vor?“
    Ich traute meinen Ohren nicht. „Bitte?!“
    „Man kann doch mal fragen, oder?“ Wenn er wenigstens verlegen getan hätte, aber nicht die Spur von Schüchternheit! Nicht in der Stimme, nicht in der Mimik! „Also: Haben Sie was vor oder nicht.“
    „Hab’ ich“, sagte ich und ließ ihn stehen. Ich fand ihn nicht wirklich unsympathisch oder gar abstoßend – ich lasse mich nur nicht gern überrumpeln.

    *

    Am nächsten Tag komme ich aus der Praxis und finde eine Rose an meiner Windschutzscheibe. Lachsfarben mit blutroten Rändern. Der Golffahrer, wer sonst? Zu Hause stellte ich die Rose in eine Vase und auf den Küchentisch, setzte mich davor und betrachtete sie. Schöne Rose. Brad Pitt schien seine Entschuldigung ernst zu meinen.
    In Gedanken begann ich, mich mit dem Mann zu beschäftigen.
    Zwei Tage später – inzwischen standen drei Rosen in der Vase auf meinem Küchentisch – rief er an. Er hatte meine Festnetznummer ausspioniert, und das machte mich wütend. Doch seine freundliche Samtstimme besänftigte mich.
    Er wolle nicht aufdringlich sein, sagte er, aber ich ginge ihm halt nicht aus dem Kopf und so weiter.
    Normalerweise bin ich mit solchen Anrufern ganz schnell fertig. Aber die Rosen auf dem Tisch stimmten mich milde. Und ehrlich gesagt: Seine Samtstimme auch.
    Er erzählte dies und jenes, sprach von dem Korb, den ich ihm gegeben hatte, wie von einem Punktverlust in einem noch lange nicht zuende gespieltem Match. Ich lauschte seiner Stimme und dachte an seine grauen Augen, während wir

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