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Sturmjahre

Sturmjahre

Titel: Sturmjahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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geben, guter Gott.« Er fing wieder an, in seinen Papieren zu kramen und zog ein bedrucktes Formular heraus. »Das müssen Sie ausfüllen. Statistische Angaben für unsere Registratur. Bringen Sie es irgendwann im Lauf der Woche bei meinem Sekretär vorbei.«
    Samantha faltete den Bogen und steckte ihn ein. »Dr. Jones, ich habe eine Bitte: Können Sie mir bei der Suche nach einer Unterkunft behilflich sein? Im Augenblick wohne ich im Hotel, und das ist sehr teuer.«
    »Wir haben einige kleine Pensionen hier, Miss Hargrave, aber die sind voller junger Männer. Eine Studentin, wissen Sie, das ist etwas, das völlig aus dem Rahmen fällt.«
    Samantha runzelte die Stirn. Dr. Jones hatte ihr den Zusagebrief geschrieben; warum versuchte er jetzt, sie zu entmutigen?
    Sie stand auf. »Ich danke Ihnen, Dr. Jones. Wann fangen die Veranstaltungen an?«
    »Montag morgen punkt acht.«
    »Und wo?«
    »Melden Sie sich zuerst in meinem Büro.«
     
    Sie fand keine Unterkunft. Die Neuigkeit von ihrem Eintreffen hatte sich so schnell in dem kleinen Ort verbreitet, daß Samantha, wie sie erfahren mußte, bereits sämtlichen Wirtinnen bekannt war und abgewiesen wurde, noch ehe sie überhaupt anklopfen konnte. Bis zum späten Nachmittag hatte sie in neun Pensionen vorgesprochen und neun Absagen erhalten.
    Samantha setzte sich im Hotel in die Teestube, die Damen vorbehalten war und bestellte sich ein Gurkenbrötchen zu ihrem Tee. Das Kinn in die Hand gestützt, starrte sie zum Fenster hinaus in den sonnigen Nachmittag und kämpfte gegen die Mutlosigkeit, die sie zu überwältigen drohte.
    Lucerne gefiel Samantha. Es war ein hübsches Städtchen mit alten Bäumen und weißen Holzhäusern. Die Ruhe und die Beschaulichkeit taten gut nach der Hektik Manhattens, und die Leute wirkten freundlich. Und dennoch fühlte sich Samantha fremd, so ungeborgen wie ein aus dem Nest gefallener Vogel.
    {139} »Ah«, hörte sie plötzlich eine etwas rauhe Stimme neben sich. »Hier sind Sie also. Eine Enttäuschung, das muß ich schon sagen.«
    Verdutzt blickte sie auf. Die Frau stand direkt vor ihrem Tisch, die Hände in die breiten Hüften gestemmt, den Kopf zur Seite geneigt. Das dicke rote Haar war hochgesteckt, das sommersprossige Gesicht drückte Belustigung aus.
    »Sprechen Sie mit mir?« fragte Samantha.
    »Ich hatte gehofft, Sie hätten mindestens zwei Köpfe, nach allem, was über Sie geredet worden ist. Drum bin ich hergekommen. Ich wollt’ Sie mir mal ansehen. Eine schöne Enttäuschung sind Sie.«
    Samantha war perplex.
    »Ich bin Hannah Mallone«, fuhr die Frau fort. »Ich freu’ mich, Sie kennenzulernen.«
    Die Frau bot ihr die Hand, und Samantha nahm sie. Ohne Umstände zog Hannah Mallone sich einen Stuhl heran und setzte sich zu Samantha an den Tisch. Sie war eine füllige Frau mit üppigem Busen und einer kräftigen Stimme.
    »Ich hab’ von Ihren Schwierigkeiten gehört, Liebchen«, sagte sie mit starkem irischen Akzent, »und ich muß sagen, das macht mich wütend.«
    »Ich habe mir heute bei der Zimmersuche neun Körbe geholt. Können Sie mir sagen, warum?«
    »Keiner will eine solche Person in seinem Haus haben.«
    »Was soll das heißen?«
    Hannahs hellbraune Augen wurden weich. »Ach, Sie armes Ding, Sie tun mir wirklich leid. Als ich vor einer Stunde in Mrs. Kendalls Laden von der dreisten jungen Person hörte, die am hellichten Tag auf unseren Straßen herumspaziert und sich einbildet, sie könnte in einem unserer anständigen Häuser unterkommen, und als sich dann sämtliche anwesenden Damen darüber aufregten, daß Sie kein Schamgefühl besitzen, und es wirklich schlecht um die Welt bestellt sein müsse, wenn Frauenzimmer wie Sie einfach hier in Lucerne auftauchen –«
    »Frauenzimmer wie ich?«
    »Nun, man hält Sie für ein liederliches Frauenzimmer.«
    Samantha erstarrte.
    »Wußten Sie das nicht? Wenn Sie eine Ahnung hätten, wie engstirnig die Leute hier sind! Die wollen keine Frauen, die Medizin studieren. Deshalb haben Sie auch kein Zimmer bekommen. Ich kann mir vorstellen, wie Ihnen zumute ist, Kindchen, ich hab’ die Bigotterie der Leute hier nämlich auch zu spüren bekommen.«
    {140} Samantha war völlig verwirrt. »Ja, aber wieso hat man mich dann hier am College angenommen?«
    »Darüber würde ich mir vorläufig mal keine Gedanken machen, Kindchen. Jetzt brauchen Sie erst eine Unterkunft.«
    »Können Sie mir helfen?« fragte Samantha rundheraus.
    »Ich hab’ ein großes Haus, und mein Mann ist die meiste Zeit

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