Sturmkönige 01 - Dschinnland
einfangen, bestrafen sie mich.«
»Was bist du? Ein Haremsmädchen? Eine der hundert Frauen des Emirs?«
»Hundert Frauen? Erzählt man sich das? «
»Bist du eine seiner Frauen?« Seine Stimme war jetzt ein gefährliches Fauchen.
»Nein. Nur eine Dienerin.«
»Auf den Raub einer Sklavin steht ganz sicher der Tod.«
»Wie auf so ziemlich alles.«
Ihre Blicke trafen sich erneut, und er zögerte. Sie log – aber sie machte ihn auch neugierig.
Oben auf den Felsen rief einer der Soldaten etwas. Hinter dem Rauch ertönten die Schreie weiterer Teppichreiter, die im Pfeilhagel zu Boden gingen.
Ich bin noch immer besser als sie, durchzuckte es ihn. Schneller als sie. Ich kann es schaffen, auch jetzt noch.
Das Mädchen sah ihn erwartungsvoll an. Das eisige Weißgrau ihrer Augen war von zwei dünnen dunklen Kreisen umrahmt, ebenso schwarz wie ihre Pupillen. Er hatte noch nie solche Augen gesehen. Ihre Brustwarzen unter der Seide waren klein und rosig, ihre Bauchdecke flach. Schweiß glitzerte überall auf ihrer Haut, selbst durch das hauchdünne Schleierkleid. Es schien, als wäre sie nur in Rauch gekleidet, der in zerfasernden Schwaden um ihre Glieder wehte.
»Komm rauf.« Er streckte ihr seine freie Hand entgegen und wusste, dass er es bereuen würde, wenn er nur einen Atemzug länger nachdächte.
Wortlos stieg sie hinter ihm auf den Teppich und legte einen Arm um seinen Oberkörper. Sie schien genau zu wissen, worauf es ankam. Die Knie fest auf den Teppich drücken. Keine ruckartigen Bewegungen machen. Und wenn es darum ging, schnell zu sein, im Windschatten des Reiters bleiben.
Tarik sandte einen entschlossenen Befehl ins Muster. Der Teppich schoss vorwärts, schräg nach oben, dem Ende der Palastmauer entgegen. Die Soldaten auf den Felsen fluchten.
Er spürte den Körper des Mädchens an seinem Rücken. Die Hitzewogen mussten von den Feuern stammen, die allmählich die Bretterverschläge der Händler aufzehrten und bald keine neue Nahrung mehr finden würden.
»Wie heißt du?«, fragte sie ganz nah an seinem Ohr.
»Tarik.«
»Mein Name ist Sabatea.«
Verbissen brachte er den Teppich zurück auf seinen ursprünglichen Kurs. Ließ ihn beschleunigen. Scherte sich nicht darum, dass seine Begleiterin dabei beinahe nach hinten über die Fransenkante geschleudert wurde.
Aus dem Augenwinkel entdeckte er Wirbel in der Rauchwand oberhalb der Flammen.
Gleich darauf schossen zwei Teppichreiter aus den wabernden Qualmstrudeln, beide gleichauf, beide besorgniserregend schnell.
Sie nahmen die Verfolgung auf. Natürlich.
Das Mädchen wog wahrscheinlich die Hälfte von Tarik. Trotzdem machte sie den Teppich langsamer. Seine Aussicht auf einen Sieg sank gerade rapide.
Er fluchte durch die Zähne. Junis hatte er Überheblichkeit unterstellt – und wurde nun ein Opfer seiner eigenen. Wenn er hier und jetzt versagte, zum ersten Mal seit Jahren, dann trug er allein die Schuld daran.
Die beiden Teppichreiter rasten rechts und links an ihm vorüber. In der Schulter des einen steckte ein Pfeil.
»Du verlierst«, sagte Sabatea.
Er nickte.
Mit den Fingerspitzen klopfte sie an seine Schulter. »Du verlierst gegen einen Verletzten.«
Nachtwind
Es gab zwei Möglichkeiten. Erstens, er warf sie während des Fluges hinunter. Das sparte Zeit. Oder er landete und setzte sie ab; damit wäre das Rennen auf alle Fälle verloren. Einen Moment lang erwog er das Für und Wider.
Genau genommen gab es kein Wider.
»Tu das nicht«, sagte sie.
»Ich wusste nicht, dass die Dienerinnen des Emirs Gedanken lesen können.«
»Wir haben viele Talente.«
Tatsächlich hielt ihn etwas davon ab, sie mit einem Stoß in die Tiefe zu befördern. Keine Skrupel, ganz sicher nicht, sondern etwas anderes. Der gleiche Anflug von Neugier, der ihn vorhin dazu bewegt hatte, ihr seine Hand entgegenzustrecken. Es war Torheit, das wusste er. Er war nicht mehr in dem Alter, in dem ihn ein paar hübsche Brüste aus der Fassung brachten. Auch nicht ihre langen Beine. Und ihre Geisteraugen konnte er zum Glück nicht sehen, solange sie hinter ihm saß. Sie waren gefährlich. Zweifellos wusste sie das so gut wie er.
Er jagte den Teppich durch die nächtlichen Gassen, fort vom Palast, noch immer auf der Route der Rennstrecke.
Dann und wann huschten Gestalten durch die Nacht, doch nur selten. So tief im Herzen Samarkands blieben die Menschen bei Dunkelheit in ihren Häusern. Die Patrouillen der Ahdath zogen hier öfter ihre Runden als weiter draußen
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