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Sturmkönige 01 - Dschinnland

Sturmkönige 01 - Dschinnland

Titel: Sturmkönige 01 - Dschinnland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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gerissen. Und sie gab sich nicht einmal Mühe, zu verbergen, dass sie ihn gerade aushorchte.
    »Was würde es kosten?«, fragte sie.
    »Was?«
    »Eine Reise nach Bagdad.«
    Er spürte einen harten Knoten im Hals. »Ich fliege nicht mehr durchs Dschinnland. Nie wieder.«
    »Ich dachte, die Dschinne können dir nichts anhaben.«
    Er atmete tief durch, blickte noch einmal nach vorn, dann zurück zu seinen Verfolgern. Tastete im Muster nach Möglichkeiten, schneller zu werden, und fand keine. Schloss für einen Moment die Augen, öffnete sie wieder – und riss den Teppich steil nach oben, aus dem Schacht der schmalen Gasse, hinauf in den Nachthimmel über der Stadt. Die Dächer blieben unter ihnen zurück, aber den Sternen kamen sie trotzdem nicht näher.
    Sabatea klammerte sich an ihm fest, um nicht nach hinten vom Teppich zu rutschen. »Was tust du denn?«, rief sie.
    Als sie die feuchtwarmen Gerüche der Gassen hinter sich ließen, füllte allmählich frische Nachtluft Tariks Lungen. Zum ersten Mal fiel ihm auf, dass der Gestank der Menschen, Tiere und verdreckten Gassenfluchten Samarkands hier oben schon nach kurzer Zeit von etwas anderem abgelöst wurde – den leeren, klaren Winden des Dschinnlandes. Die Kreaturen der Wilden Magie hatten in den Weiten Khorasans gründlich aufgeräumt. Mit allem. Es war, als hätte sich ihr Reich längst wie ein Käfig über die Stadt gestülpt.
    »Warum hast du das getan?«, fragte sie erneut.
    »Wir konnten nicht mehr gewinnen«, presste er hervor, mühsam beherrscht, und doch von einer eigenartigen Erleichterung erfüllt. Er hatte sich mit seiner Entscheidung selbst überrumpelt, hatte einem Impuls nachgegeben. Das war nicht seine Art. Aber es hatte unzweifelhaft etwas Befreiendes.
    Sabatea schien ein Lachen zu unterdrücken. »Ich hatte dich für verbissener gehalten.«
    »Dann lägst du jetzt irgendwo dort unten im Staub.«
    »Unten ist ein Ort, an dem du dich noch besser auskennst als ich, nicht wahr?«
    Ein Lächeln legte sich über sein Gesicht. Sie war nicht die Erste, die das feststellte. Wenn sie glaubte, ihn damit zu reizen, hatte sie sich getäuscht. Darüber war er längst hinweg.
    Mit seinen Fingern bildete er ein Zeichen im Muster, das den Teppich schlagartig in die Horizontale brachte. Sie stieß einen leisen Laut des Erschreckens aus, den ersten, den er ihr hatte entlocken können, und sein Lächeln wurde breiter. Bis ihm bewusst wurde, dass sie ihn womöglich nur aus diesem einen Grund von sich gegeben hatte. Vollkommen berechnend.
    Er blickte in die Tiefe auf das Fackelmeer der Stadt. Sie mussten sich etwa zweihundert Meter über dem Boden befinden. Der Wind hier oben war frisch. Sabatea in ihrem Nichts von einem Kleid musste frieren. Im Mondlicht sah er, dass ihr nackter Arm von einer Gänsehaut überzogen war. Am Handgelenk trug sie ein Lederband mit aufgezogenen Perlen. Ihre Brust hob und senkte sich heftig zwischen seinen Schulterblättern.
    »Du bist wütend auf mich«, stellte sie fest, weder furchtsam noch bedauernd.
    Sie hatte die Hand aus dem Muster gezogen, als sie sich beim Aufstieg nach oben an ihm festgehalten hatte. Es wäre jetzt ein Leichtes gewesen, sie vom Teppich zu stoßen. Sie musste das wissen.
    »Mach nicht den Fehler, mir zu vertrauen«, sagte er.
    »Ich mache selten Fehler.«
    »Selbstsicherheit könnte der erste sein. Nachlässigkeit der zweite.«
    »Und Vertrauen der letzte?«, fragte sie amüsiert. »Ich weiß genau, dass ich keine Angst vor dir haben muss.«
    »Gerade eben habe ich meinen eigenen Bruder zum Absturz gebracht.«
    »Wahrscheinlich hast du einen guten Grund gehabt.«
    Der Teppich glitt über die Vergnügungsviertel hinweg. Auch zu so später Stunde herrschte dort noch wildes Treiben, vom Emir geduldet, um die eingesperrte Bevölkerung Samarkands bei Laune zu halten.
    Dass Tarik den Teppich bald darauf über die Stadtmauer lenkte, war keine bewusste Entscheidung. Keine jedenfalls, die er verstand. Es war nur ein weiterer Impuls, vielleicht, weil in ihm noch immer das Feuer des Rennens brannte, das Gefühl, dass da noch immer Reserven von Mut und Entschlossenheit, vor allem aber von Risikofreude waren, die er aufbrauchen musste. Weil sie ihn sonst von innen auffraßen. Oder etwas wirklich Dummes tun ließen.
    Jenseits der hohen Zinnenmauer erstreckten sich Felder entlang der Ufer ausgedehnter Bewässerungskanäle, dazwischen Haine aus Maulbeer-, Oliven- und Dattelbäumen. Grünes, fruchtbares Land lag als breiter Ring um

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