Sturmkönige 01 - Dschinnland
rundum von steilen Felswänden begrenzt, aus dem es zu Fuß keinen Ausweg gab. Die Roch hatten diesen Ort offenbar gewählt, weil er nur durch die Luft zu erreichen war – oder durch langwieriges Abseilen, das einen überraschenden und wirksamen Angriff unmöglich machte.
Der kochende Schlamm füllte den ganzen Talgrund aus, zweihundert Schritt von einer Bergwand zur anderen. An den meisten Stellen war der dunkle Schlackesumpf nicht tief, reichte einem Menschen gerade einmal bis zur Hüfte – so man denn den erstarrten Körpern trauen durfte, die wie verrenkte Statuen aus der dampfenden Kruste ragten. Viele der Männer und Frauen, die im Laufe der Zeit von den Dschinnen in den Schlamm geworfen worden waren, hatten sich nach dem ersten Untertauchen wieder aufrichten können, ungeachtet der mörderischen Hitze. Sie waren nicht weit gekommen. Jene mit besonders großer Willenskraft hatten sich noch einige Schritte vorwärtsgeschleppt, mit schwenkenden Armen und aufgerissenen Mündern. Andere waren einfach stehen geblieben, wo sie sich aus der Schlacke erhoben hatten, wie versteinert unter Schichten aus Schlamm. Wo der zähe schwarze Morast Kontakt zur Luft bekam, war er innerhalb von Augenblicken erkaltet und ausgehärtet. Die Unglücklichen in seinem Inneren mochten ihn noch ein- oder zweimal gesprengt haben, doch dann hatten ihre Kräfte sie verlassen. Die Hitze des Schlamms hatte sie in ihren Morastpanzern zu Tode gegart.
Der schwefelige Qualm, der in wandernden Vorhängen über den Schlammsee trieb, verwehrte Tarik und Sabatea den Blick auf das ganze Ausmaß des Grauens. Im Schutz des Dunstes schwebten sie weit genug bis zur Oberfläche hinab, um fünfzehn oder zwanzig der starren Schlammstatuen zu erkennen, aber die wahre Zahl musste um ein Vielfaches höher sein. Tarik blieb nah an den hinteren Felswänden, so weit wie nur möglich von dem Höhlenspalt entfernt.
Manchmal riss der Dunst auf, dann zog sich der gezackte Grotteneingang wie ein schwarzer Blitz durch den Rauch. Tarik hielt Ausschau nach Wachtposten, konnte aber keine entdecken. Offenbar fühlten sich die Dschinne an diesem entlegenen Ort und hinter dem tödlichen Schlammsee sicher vor Angreifern. Falls es dennoch Wächter gab, so waren sie tiefer im Felsspalt postiert.
Er spürte, dass Sabatea hinter ihm zitterte. Einmal meinte er, ihre Tränen an seinem Nacken zu spüren. Er wollte gerade wieder hinauf zum Plateau fliegen, als sie ihn wortlos anstieß und nach rechts auf einen verkrusteten Schlammhügel deutete. Irgendwann einmal war etwas Großes von hoch oben herabgestürzt, eine bizarre Kreatur des Dschinnlandes, die sich selbst auf ihren zahlreichen Beinen nicht mehr aus dem Morast hatte retten können. Verwinkelte Glieder umgaben den haushohen Koloss, manche angewinkelt, andere ausgestreckt. Im Todeskampf musste das Ungeheuer getobt haben, aber seine Größe und Kraft hatten es nicht retten können; zuletzt war es der Hitze und der Härte des erkalteten Schlamms zum Opfer gefallen.
Sie schwebten wieder nach oben, zurück auf die Felsen oberhalb des Tals. Diesmal lenkte Tarik den Teppich unter einen Überhang, wo sie besser vor den Blicken vorüberfliegender Dschinne geschützt waren. Der Schwefelgestank des Schlammvulkans hing in seiner Nase, als hätte er sich in die Schleimhäute geätzt.
In ihrem Versteck breitete er den Teppich flach auf dem Felsboden aus.
»Keine Wächter.« Tarik stellte die Sanduhr auf und öffnete das Nadelöhr. »Jedenfalls nicht vor dem Höhleneingang. Sie wissen, dass es Wahnsinn wäre, den Schlammsee überqueren zu wollen und dort einzudringen.«
Sabatea zog ihren Arm zurück, blieb aber sitzen. »Es muss noch andere Zugänge geben.«
Er drehte sich um, bis sie einander auf dem Teppich gegenübersaßen. Fragend blickte er sie an.
»Es heißt immerhin die Hängenden Städte, nicht wahr?« Es war erstaunlich, wie sehr sie sich unter Kontrolle hatte. Da war nur die Spur eines Bebens in ihrer Stimme, und selbst das unterdrückte sie schon bald darauf mit eisernem Willen. »Wie viele Roch werden dort unten gelebt haben? Einige hundert? Ein paar tausend? Es heißt, die Hängenden Städte seien ein ganzes Reich gewesen und nicht irgendein provisorisches Lager in einer Höhle.«
»Zwei Reiche, genau genommen«, ergänzte er. »Die sich zudem spinnefeind waren.«
»Sie müssen Vorkehrungen getroffen haben, für Unglücksfälle und Katastrophen. Selbst wenn sie sich sicher vor Angriffen gefühlt haben – was ist
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