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Sturmkönige 03 - Glutsand

Sturmkönige 03 - Glutsand

Titel: Sturmkönige 03 - Glutsand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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dieses Schachts wurden die Elfenbeinpferde gehalten; sie benutzten die breite Öffnung zum Auf- und Abstieg aus der Tiefe.
    Siebzig oder achtzig Meter unter dem Bodenniveau des Abgrunds brachten die Roch ihre Rösser zur Landung. Nur Sabateas Elfenbeinpferd weigerte sich, in dieses dunkle Loch zu fliegen und landete mit seinen beiden Reitern auf einem Sandstreifen oberhalb der Spalten. Die vier Wächter, die für sie abgestellt worden waren, gingen ebenfalls dort nieder, blieben auf ihren Pferden sitzen und sahen zu, wie Sabatea und Tarik aus dem Sattel zu Boden glitten.
    Tarik gab sich Mühe, nicht in die Knie zu brechen, als der Aufprall seiner Füße im Sand wie ein Schlag durch seinen Körper raste. Der Blick seines gesunden Auges flackerte über die dunklen Spalten voller Rochnester, die sich rundum in alle Richtungen erstreckten. Weit verstreut, jenseits der Behausungen, lagen gewaltige Glasbrocken, die irgendwann einmal von den Dschinnen aus dem Nebelhimmel herabgestürzt worden waren. Nur einer hatte sein Ziel getroffen und eine der inneren Spalten zum Einsturz gebracht. Überreste von Hängebrücken ragten unter Felsgeröll, Sand und geborstenem Glas hervor.
    »Was ist das hier?«
    »Das sind die Überlebenden«, sagte Sabatea. »Die Letzten, die übrig sind.«
    Sie führte ihn an der Hand auf den Rand der Mittelkluft zu. Hinter der Kante war eine Art Treppengeländer zu erkennen. Es bestand aus dem gleichen lehmartigen Material, aus dem auch die Behausungen und die Hängenden Städte erbaut worden waren. Strähnig ausgehärtet, wurde es durch Äste oder Zweige verstärkt. Gebeine, erkannte Tarik im Näherkommen. Dschinnknochen, durchwoben mit Streifen aus Horn und Chitin. Die Roch hatten alles verarbeitet, was ihnen in die Hände gefallen war. Auch die Überreste von Schwarmschrecken, Sandfaltern und anderen Kreaturen der Wilden Magie.
    »Warum helfen sie uns?«, fragte er heiser.
    »Das tun sie nicht. Aber sie geben uns eine Chance.«
    »Das heißt, sie fallen nicht vor dir auf die Knie und verehren dich als Göttin auf ihrem strahlend weißen Zauberpferd?« Einen Moment lang hatte er etwas Derartiges tatsächlich erwartet, aber als er es aussprach, klang es spöttisch und unangebracht.
    »Das Pferd hat sie ausreichend beeindruckt, um uns am Leben zu lassen«, sagte sie. »Aber alles andere, das sie tun – egal, ob für oder gegen uns –, tun sie aus Hass auf Skarabapur.«
    Ihm entging nicht der feine Unterschied. Nicht Hass auf die Dschinne, die Wilde Magie oder den Dritten Wunsch. Vielmehr Hass auf eine Stadt, die eigentlich gar keine war, sondern… ja, was? Ein Symbol? Eine Art Heiligtum ohne Gottheiten? Was war Skarabapur, wenn sich wirklich so viel mehr dahinter verbarg als nur eine Ansammlung von uralten Mauern und Türmen?
    »Du wirst bald alles verstehen«, sagte sie.
    »Dir gefällt diese Geheimnistuerei.« Er bereute die Worte, kaum dass er sie ausgesprochen hatte. Aber Sabatea schien sie ihm nicht übel zu nehmen.
    »Wir werden erwartet.« Sie deutete auf das Treppengeländer. Es vibrierte jetzt unter Schritten, die sich von unten näherten.
    »Von ihrem Zaunkönig?«
    »Von ihrer Brutmutter.« Sabatea blieb stehen, kurz bevor sie den Rand des Zentralspalts und die Treppe erreichen konnten. In einem Anflug von Wut zog sie ihn zu sich herum, und er dachte, gut, da also wären wir wieder; eigentlich hätte das hier ganz anders ablaufen sollen. Aber möglicherweise waren sie eben so: einander zu ähnlich im einen Moment, im nächsten schon vollkommen gegensätzlich.
    »Soweit ich weiß«, begann sie schneidend, »sind Nachtgesicht und Ifranji noch am Leben. Du und ich sind es auch, und sogar Khalis und Almarik könnten das hier überstehen. Also hör auf, so zu tun, als hätte dir hier unten irgendjemand auch nur ein Haar gekrümmt. Die Roch haben uns alle gerettet, und im Augenblick interessiert es mich nicht, was ihre Vorfahren einmal getan haben und was dein Vater dir irgendwann über sie erzählt hat, um zwei kleinen Jungs damit Angst einzujagen!«
    »Die Hängenden Städte waren keine Erfindung der Dschinne«, erinnerte er sie, wusste aber, dass er die schwächeren Argumente hatte. »Und auch keine meines Vaters. Die Roch haben sie gebaut, genauso wie die Pferche für ihre Menschensklaven. Das sind keine Ammenmärchen.«
    Er spürte plötzlich den Wunsch, seinen Zorn über alles, was schiefgegangen war, an jemandem auszulassen. Dass es ausgerechnet Sabatea sein musste, war dumm und

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