Sturmkönige 03 - Glutsand
Ein ziemlich armseliger Versuch. Und doch zeigte er Wirkung, als die Brutmutter ihre hohe, ebenmäßige Stirn runzelte. »Lasst ihr uns aber gehen, geht der Fluch mit mir.«
Sabatea räusperte sich leise. »So ist es«, flüsterte sie.
Die Brutmutter legte hinter dem Gitter aus gekreuzten Schwertlanzen abermals den Kopf schräg. Sie stieß ein leises Gurren aus. Ihre Augen glühten.
Unwillkürlich erinnerte sich Tarik an das, was der Narbennarr in den Trümmern der Hängenden Städte zu ihm gesagt hatte – daran, dass die Dschinne in die Welt gekommen waren, um hinter der Menschheit aufzuräumen. Auch die Roch waren einmal mächtig und Furcht einflößend gewesen – doch das war lange her. Auch wenn sie im Kampf gegen die Schwarmschrecken bewiesen hatten, dass sie mit ihren Waffen umzugehen wussten, verspürte er kaum Respekt vor ihnen.
Sabatea trat neben Tarik, sagte nichts, stand nur da und blickte die Brutmutter abwartend an. Etwas war mit den Augen dieses grazilen Wesens, das schlagartig von ihrer Schönheit ablenkte – Nickhäute schoben sich von unten und oben über die Pupillen, wenn sie blinzelte. Wieder ertönte das Gurren aus ihrer Kehle. Ihr Federkleid raschelte, als es sich in einer verwirrenden Wellenbewegung sträubte, die von den Schultern bis zu ihren Füßen lief. Dann machte sie sich mit gleitenden, fast tänzerischen Schritten an den Abstieg, gefolgt von ihrer Eskorte.
Nur ein einzelner unbewaffneter Roch blieb zurück. »Ihr dürft gehen«, sagte er zu Sabatea. »Sucht nach euren Gefährten. Niemand im Untersand wird euch aufhalten. Niemand von uns.«
»Wen gibt es denn noch?«, fragte sie.
»Ihr habt sie gesehen. Manchmal stoßen Schwarmschrecken durch den Nebel herab, auch Sandfalter und anderes Gezücht der Dschinne. Die großen Schlangen wagen sich nur selten unter dem Glas hervor.«
Sie nickte und dankte ihm.
»Was geschieht mit den beiden anderen?«, fragte Tarik. Er konnte Sabatea ansehen, dass sie es für das Beste hielt, Almarik und Khalis zurückzulassen.
»Ihnen wird nichts geschehen«, sagte der Roch, bevor er seinen Artgenossen in die Tiefe folgte. »Wenn ihr zurückkehrt, werdet ihr sie wiedersehen.«
Wenig später erhoben sich Tarik und Sabatea auf dem Elfenbeinpferd in die Lüfte. Erst nach einer Weile folgten ihnen drei Reiter, hielten jedoch Abstand.
Hoch über ihnen brodelte der Nebel über dem Abgrund. Die Licht- und Flammenerscheinungen, die Tarik von oben darin beobachtet hatte, waren auch von hier unten aus zu erkennen. Sie stiegen nicht vom Boden auf, wie er geglaubt hatte, vielmehr waren sie nur im Inneren der Nebeldecke zu sehen. Die unwirkliche Stimmung, die er bereits über der Wüste aus geschmolzenem Sand verspürt hatte, intensivierte sich jetzt nicht nur mit jedem Schritt nach Süden, sondern auch mit den Stunden, die sie hier verbrachten. Als wäre Skarabapurs Präsenz nicht allein auf einen Ort begrenzt, sondern tastete zugleich mit Dunstfingern hinaus in die Zeit.
Nachdem das sternförmige Netz der Felsspalten und Rochbehausungen unter ihnen zurückgeblieben war, schloss Tarik die Augen und genoss die Berührung von Sabateas Haar. Sie hatte es zu einem Knoten gebunden, bevor sie aufs Pferd gestiegen war. Einige Strähnen hatten sich gelöst und strichen um seine Wangen.
»Ich hatte Angst um dich«, sagte er.
Wortlos zog sie eine Hand aus der Mähne des Elfenbeinpferds und griff über die Schulter nach hinten. Tarik hielt sie fest. Erst nach einer Weile entzog Sabatea sie ihm wieder mit einem leisen Lachen und schob die Finger zurück in das weiße, wehende Pferdehaar.
»Der Roch, der gerade mit uns gesprochen hat, ist so etwas wie ein Priester«, sagte sie. »Oder ein Zeremonienmeister. Sein Name ist Crahac. Er hat uns das Leben gerettet.«
»Weil ihre Elfenbeinpferde verkrüppelt sind und deines nicht?«
»Das hat ihn neugierig gemacht. Sie verstehen nicht, warum es zulässt, dass ich auf ihm reite. Ihre Pferde sind Opfer der Dschinne, bemitleidenswerte Kreaturen. Offenbar ist es den Roch nicht allzu schwergefallen, sie einzufangen und zu zähmen. Die Dschinne haben ihren Willen gebrochen und sie dann fortgejagt. Aber die Roch haben noch nie gesehen, dass sich eines der wilden Zauberpferde reiten lässt. Sie haben es selbst versucht, ohne Erfolg.«
»Was hast du ihnen erzählt?«
»Dass sich das Pferd entschieden hat, mich zu akzeptieren.«
»Damit haben sie sich zufriedengegeben?«
Sie lächelte. »Nein. Aber sie sind ein merkwürdiges
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